"Wir überlegen noch", heißt es in der Anwaltskanzlei, die das Thema vor dem Verfassungsgerichtshof angezündet hat. Das Thema: Die seit 1996 unzulässige steuerliche Kurzzeit-Abschreibung von | Gebäudeassanierungen auf Grund des Stadterneuerungsgesetzes.
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Das damalige "Maßnahmenpaket" des Finanzministers hatte die bis dahin geltende 10jährige bzw. 15jährige AfA-Periode über Nacht auf schmerzliche 67 Jahre verlängert und so aus vielen
Verlustabschreibungsmodellen steuerträchtige Gewinnobjekte gemacht. Der Aufschrei der Betroffenen war verständlich.
Die bis 1995 geltende Steuerbegünstigung für Gebäudeassanierungen hatte einen für alle Beteiligten angenehmen Synergieeffekt. Wertvoller Althausbestand wurde gerettet, die Bauwirtschaft bekam zu tun
und die notwendigen Investoren ließen sich mit der Attraktivität der künstlich massierten Baukostenabschreibung anlocken. Im betrieblichen Bereich konnte die Amortisation auf nur 10 Jahre, im Bereich
des privaten Immobilienbesitzes auf 15 Jahre zusammengedrängt werden, was steuerlich vorteilhafte Verlustmodelle ermöglichte.
Das Strukturanpassungsgesetz vom 30. April 1996 machte der Attraktivität allerdings ein rasches (und rückwirkendes) Ende. Ab Beginn des Kalenderjahres 1996 wurde der AfA-Satz auf 1,5% p.a.
heruntergesetzt und damit die Abschreibungsdauer kräftig verlängert. Nicht bloß für die Neuinvestitionen, sondern auch für jene, die bereits vor 1996 angefallen waren.
Als Begründung für die budgetäre Notmaßnahme heißt es im damaligen Motivenbericht: "Damit wird im Bereich des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, die steuerliche
Förderung auf die volkswirtschaftlich wichtigsten baulichen Maßnahmen zu konzentrieren." Der voraussehbaren Empörung der Betroffenen wurde durch einen legistischen Sperrtrick vorgebaut: die
Änderungsparagraphen wurden in Verfassungsrang erhoben und damit weitgehend immunisiert.
Musterfall vor
dem Höchstgericht
Nichtsdestoweniger verbündeten sich Anwälte und Steuerberater und empfahlen den solcherart düpierten Hausbesitzern in jedem Fall, die alte Rechtslage weiter zu befolgen und die neue AfA-
Verminderung unter Hinweis auf vermeintliche Unrechtmäßigkeit des "Maßnahmenpakets" von 1996 zu negieren.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Finanzverwaltung gegen derlei Ansinnen zur Wehr setzte. In einem Musterfall einer steirischen Hausbesitzergruppe war es dann im Dezember 1997 so weit. Das
Verfahren vor dem Höchstgericht nahm seinen Lauf. Mit dem soeben veröffentlichten Erkenntnis ) hat der Verfassungsgerichtshof den Steirern und ihren Rechtsvertretern freilich keine Freude bereitet.
Das Höchstgericht hält an der gesetzlichen Neuregelung ebenso fest, wie an dem Umstand, daß die AfA-Verlängerung nicht bloß Neuinvestoren, sondern auch jene trifft, die ihre Beteiligung an
Assanierungsobjekten schon viel früher und im Vertrauen auf die Stabilität der Rechtslage eingegangen waren.
Keine Gesamtänderung
der Verfassung
Aus drei Blickwinkeln beschäftigte sich das Gericht dabei mit dem inkriminierten Thema. Es findet nichts daran, daß die vom Gesetz nunmehr verfügte "Normalabschreibung" ab 1996 abrupt einsetzt und
dabei auch die Altinvestitionen mit einbezieht. Es findet auch keine Möglichkeit, sich mit dem Einwand einer fehlenden Übergangsklausel zu beschäftigen (wodurch zweifellos Härtefälle entstanden
sind); die schmerzliche Änderung des Abschreibungsmodus' wurde ja als Verfassungsbestimmung dekretiert. Der Gerichtshof hält auch nichts von der Einrede der Betroffenen, durch das steuerliche
"Maßnahmenpaket" von 1996 mit seiner überraschenden, unterschiedslosen und außerordentlich einschneidenden Änderung sei ein so tiefgreifender Eingriff in die schutzwürdigen Rechte der Bürger
vorgenommen worden, daß dies bereits einer Gesamtänderung der Verfassung nahekomme. Was eigentlich nur im Zuge einer Volksabstimmung zulässig sei.
Risiko der Langfrist-
Investitionen
Alles vom Tisch. "Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, die Rechtslage für die Zukunft anders und entgegen den Erwartungen der Bürger auch ungünstiger zu gestalten", sagen die Richter
sinngemäß.
Und weiter: "Das Vertrauen auf verheißene steuerliche Begünstigungen für einen Zeitraum von 15 Jahren sei von vornherein mit einem gewissen Risiko der Änderung der Rechtslage verbunden.
Dispositionen, die auf längerfristige Wirkung ausgerichtet seien, seien gegenüber einer Änderung der Rechtslage eben anfälliger, als solche auf überschaubare Zeit!".
Zweifellos keine ermutigende Argumentation für die häufig auf einen langfristigen Horizont ausgerichteten unternehmerischen Entscheidungen.
Neue Beschwerdestrategien?
Das Erkenntnis des Höchstgerichts beschäftigt sich allerdings isoliert mit einem Rechtsfall des Jahres 1996. Hier wollen die wachen Anwälte nochmals nachhaken. Wenngleich weitere Rechtsmittel
gegen diesbezügliche Steuerbescheide des Jahres 1996 nicht mehr sinnvoll seien, seien Argumente vorstellbar, die für 1997 anders aussehen, als für das Übergangsjahr 1996, meint man in
Juristenkreisen. Vielleicht ließe sich gegen die umstrittene gesetzliche AfA-Blockade mit einer neuen Strategie also nochmals ankämpfen. "Wir überlegen noch" will man sich in der Anwaltskanzlei noch
nicht geschlagen geben.
) VfGH B 342/98 v. 12.12.98