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Steuerstundungen für die Wirtschaft - jetzt!

Von Alexander van der Bellen

Gastkommentare

Unternehmer und Manager melden, der Kreditzugang sei schwieriger geworden, Finanzierungskosten seien deutlich gestiegen. Die Regierung hat Haftungen für Industrieanleihen aber (vorläufig) abgelehnt; das Wifo meinte Ende März, noch keine ausreichenden Belege für Kreditbeschränkungen in der Hand zu haben.


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So? Die Voest legte gerade eine 350-Millionen-Euro-Anleihe auf. Zugegeben, diese war in einem halben Tag ausverkauft, weil die Voest sagenhafte 8,75 Prozent Zinsen bot, für eine relativ kurze Laufzeit von vier Jahren. Die Sekundärmarktrendite bei zehnjährigen Bundesanleihen liegt bei 4 Prozent, für meinen Hypothekarkredit (Euribor-gebunden) zahle ich derzeit 3 Prozent!

Wir sollten die Klagen der Wirtschaft ernst nehmen. Unbestreitbar ist doch, dass die oberste Priorität der Banken ihre eigene Liquidität ist, solang sie selber nicht wissen, welche ihrer Anlagen "toxisch" und welche okay sind. Klar ist auch, dass die Notenbanken zwar die kurzfristigen Zinsen gesenkt haben, die mittel- und langfristigen aber zu steigen beginnen, nämlich wegen des enormen Kreditbedarfs der Staaten (Defizitfinanzierung!) und der - meines Erachtens übertriebenen - Inflationsängste der Anleger. Crowding-out-Befürchtungen (die Staats- könnte die Unternehmensfinanzierung verdrängen) sind nicht aus der Luft gegriffen.

Was also tun? Ich schlage eine sofort wirksame, simple und unbürokratische Maßnahme vor: Steuerstundungen für Unternehmen. Zum Beispiel muss jetzt die Mehrwertsteuer monatlich abgeführt werden. Stunden wir die Zahlung für ein Quartal (oder zwei); verrechnen wir dafür Zinsen in Höhe der Sekundärmarktrendite. Das kostet den Staat beziehungsweise den Steuerzahler praktisch nichts, da ja die Stundungszinsen die Kosten der nötigen Zwischenfinanzierung aufwiegen. Den Unternehmen steht es frei, den de-facto-Kredit, der günstiger verzinst ist als jeder Bankkredit, in Anspruch zu nehmen oder zu prozedieren wie bisher. Zu einer Verzerrung der Finanzmärkte kommt es nicht, da die Maßnahme befristet ist und die Banken ohnedies mit sich selbst beschäftigt sind. Neue bürokratische Strukturen wie Evaluierungsagenturen und ähnliches braucht es auch nicht.

Je höher die Exportquote eines Unternehmens, desto weniger wirkt eine Mehrwertsteuerstundung liquiditätserhöhend. Daher könnte man auch an andere Steuern und Abgaben denken, etwa jene, die an die Lohnsumme anknüpfen oder an die Vorauszahlungen der veranlagten Einkommensteuer. Devise soll sein: sofort wirksam, simpel und unbürokratisch.

Finanzminister Josef Pröll kündigte Staatshaftungen für Bankkredite an. Das ist gut. Sie betreffen aber vor allem Großkredite an große Unternehmen. Und die Umsetzung wird Monate dauern. Steuerstundungen wirken schneller, und auch zugunsten kleiner und mittlerer Firmen. Beide Maßnahmen ergänzen einander.