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Steuersystem begünstigt die Superreichen

Von Veronika Gasser

Politik

Diese Woche beginnen in ganz Österreich Veranstaltungen gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Die "Aktionswoche" wird von der Armutskonferenz organisiert. Das Netzwerk will Lobby für sozial Ausgegrenzte unserer Gesellschaft sein, betont Martin Schenk, Sozialexperte der evangelischen Diakonie. Die Veranstalter wollen folgendes zeigen: "Wäre der politische Wille gegeben, könnte Armut massiv reduziert werden."


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Von akuter Armut sind in Österreich 330.000 Personen, vier Prozent der Bevölkerung, betroffen. Nahezu dreimal soviele, rund 900.000, sind armutsgefährdet. Sie leben in Substandardwohnungen und haben Probleme mit den Anschaffungen des täglichen Lebens. "Ohne soziales Netz fielen viele Personen unter die Armutsgrenze, doch unser System ist leider noch immer nicht existenzsichernd und muss dringend verbessert werden," betont Schenk gegenüber der "Wiener Zeitung". Für solch entschärfende Maßnahmen fehlen den Experten allerdings bisher jegliche Zeichen von Seiten der Bundesregierung.

Im Gegenteil, das "Sparprogramm" wird auf Kosten der sozial Schwächeren durchgesetzt, da nur Ausgaben gekürzt und indirekte Steuern erhöht werden. Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister unterstellt den Regierungsparteien nicht die Absicht, nur "die kleinen Leute" treffen zu wollen, doch die kumulativen Effekte der Budgetkonsolidierung mit Selbstbehalten bei Ambulanzbesuchen, die Pensionsregelung und die Senkung der Unternehmerbeiträge zur Sozialversicherung haben soziale Härten zur Folge.

"Mittlere und höhere Angestellte sind von der Sparpolitik kaum betroffen, Unternehmer und Landwirte werden sogar entlastet," gibt Schulmeister zu bedenken. Doch es gäbe natürlich noch andere Möglichkeiten, als nur durch Sparen, das Defizit zu verringern. "Das österreichische Steuersystem begünstigt die Superreichen. Bei uns sind zwischen 400 und 500 Mrd. Schilling in Stiftungen eingebracht, davon müssen weder Vermögen noch Gewinne versteuert werden. Lediglich für die Entnahme von Erträgen sind 25 Prozent Kapitalertragsteuer zu entrichten," erläutert der langjährige Mitarbeiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes einen in der öffentlichen Debatte verschwiegenen Umstand. Mit dem Stiftungsrecht können extrem Reiche beispielsweise die Erbschaftssteuer umgehen. Die Besteuerung dieser Mittel würde eine Gruppe treffen, bei der diese Mehrzahlungen nicht ins Gewicht fallen. "Außerdem wären viele Multimillionäre bereit, mehr als bisher zum Sozialsystem beizutragen," weiß Schulmeister, der auch fürchtet, dass "in Österreich eine Polarisierung stattfinden wird."

Weitere Vorschläge einer fairen und sozial gut verträglichen Möglichkeit Gelder für Budgetlöcher zu lukrieren, wären Steuern auf Konsumgüter der Luxusklasse, die Anhebung der Einheitswerte von Grundstücken - diese sind seit 1973 konstant - und die Einführung der Spekulationssteuer. Diese von Schulmeister angeführten Maßnahmen findet auch Walther Schütz vom Kärtner Armutsnetzwerk weitaus sinnvoller, als die Sozialtransfers bloß an sozial Bedürftigen auszuschütten: "Wir müssen das Wohlfahrtssystem absichern, denn sonst enden wir beim Armenfürsorgestaat. Die Transferleistungen für alle sind Garanten einer Grundsolidarität." Kommen diese Mittel nur mehr sozial Bedürftigen zu, taucht unweigerlich die Frage der höheren Einkommensbezieher auf, wozu sie überhaupt noch in das Sozialsystem einzahlen sollen.