Beliebte Urlaubsländer buhlen um die wachsende Gruppe der digitalen Nomaden. Hoch qualifizierte und gut verdienende Ausländer sollen Einbußen im Tourismus wettmachen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es gibt sicher Schlimmeres, als den Großteil des Jahres über in Griechenland zu leben, auch wenn man dort arbeiten muss. Vor allem Menschen aus Ländern mit rauerem Klima schätzen das mediterrane Feeling. Jetzt gibt es einen weiteren Anreiz für Erwerbstätige, sich in Griechenland niederzulassen, nämlich einen Nachlass von 50 Prozent auf die Einkommensteuer, und das gleich für sieben Jahre.
Für digitale Nomaden ist das freilich schon ein langer Zeitraum. Nicht wenige 30-Jährige haben im Laufe ihres Erwerbslebens schon mehrere Stationen hinter sich, auch dort, wo andere ihren Urlaub verbringen. Die ortsunabhängigen Dauerreisenden sind heute hier und morgen dort, das Büro ist der Laptop, wichtige Dokumente landen via Cloud in einem digitalen Postkasten, und an Meetings nehmen sie via Videokonferenz teil. Ihre Arbeit- oder Auftraggeber sitzen vielleicht im kühlen Norden, während sie in ihrem Appartment auf einer griechischen Insel ihre Aufträge abarbeiten.
Reisen und Arbeiten kombinieren
Laut Schätzungen des Marktforschungsunternehmens Forrester gab es Ende 2019 weltweit rund fünf Millionen digitale Nomaden, die es sich dank Internet erlauben können, Reisen und Arbeit miteinander zu verbinden. Der verstärkte Trend zum Homeoffice dürfte die Zahl noch weiter nach oben geschraubt haben. Über 70 Prozent der digitalen Nomaden verdienen laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Buffer mehr als 50.000 Dollar im Jahr. Das hat sich auch bis in die südeuropäischen Urlaubsländer herumgesprochen, die unter der Corona-Krise besonders leiden.
Könnte etwa Griechenland, dessen starke wirtschaftliche Abhängigkeit vom Tourismus sich in der Pandemie als verhängnisvoll erwies, 100.000 gut verdienende digitale Nomaden jährlich anlocken, die im Schnitt sechs Monate im Land verbringen, würde das 1,6 Milliarden Euro an Einnahmen bringen, so Tourismusminister Charis Theocharis. Schließlich müssen die Neuankömmlinge Wohnungen oder Häuser anmieten. Sie nehmen lokale Dienstleistungen in Anspruch, besuchen Restaurants und kaufen lokale Produkte.
Um den Einkommenssteuer-Rabatt zu bekommen, müssen sich Ausländer mehr als sechs Monate im Jahr in Griechenland aufhalten und erklären, dass sie mindestens zwei Jahre bleiben. Sie dürfen auch in den vergangenen fünf Jahren nicht in Griechenland steuerpflichtig gewesen sein.
Portugal ist schon einen großen Schritt weiter und lockt schon seit einigen Jahren mit seiner Non-Habitual-Resident-(NHR)-Regelung, durch die reiche Unternehmer, High Potentials und wohlhabende Pensionisten, die erstmals nach Portugal ziehen, in den ersten zehn Jahren ihres Aufenthalts attraktive Steuervorteile genießen. So können bestimmte ausländische Einkünfte steuerfrei bezogen werden.
In Portugal erzielte Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit werden unter der Voraussetzung, dass es sich um Tätigkeiten "von hoher Wertschöpfung mit wissenschaftlichem, künstlerischem oder technischen Charakter" handelt, pauschal mit 20 Prozent besteuert. Dazu zählen Einkommen von Universitätsprofessoren, Ärzten, IT-Fachleuten, Schriftstellern etc. Wer den Sonderstatus eines "residente não habitual" innehat, muss sich mehr als 183 Tage im Jahr in Portugal aufhalten.
Griechenland hat neben den ausländischen Digital-Nomaden auch hoch qualifizierte Auslandsgriechen, die ihre Heimat seit dem Ausbruch der Finanzkrise ab 2010 verlassen haben, im Visier. Geschätzt 800.000 Griechen haben ihrem Land in den Krisenjahren den Rücken gekehrt und ihre Karriere im Ausland weiterverfolgt. Den "Brain Drain" umdrehen lautet die Devise.
"Amazing weather and great food"
Griechenland versucht auch Brexit-Flüchtlingen, vor allem jenen aus der Finanzbranche, das Übersiedeln in wärmere Gefilde schmackhaft zu machen. Wegen des Ausscheidens Großbritanniens aus der EU mussten zahlreiche Ausländer das Land verlassen. Mit Homeoffice sind sie seit den Corona-Lockdwons bestens vertraut, daher sei es eigentlich egal, wo auf der Welt sie vor ihren Laptops sitzen, meint Alex Patelis, Chef-Wirtschaftsberater von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Eine britische Relocation-Agentur schwärmt von "amazing weather and great food" in Griechenland. Die großzügige Steuerregelung für Ausländer kommt jetzt als weitere Annehmlichkeit dazu.
Auch andere beliebte Urlaubsländer der EU zeigen sich sehr kreativ, wenn es darum geht, gute Leute aus aller Welt ins Land zu holen. So hat Kroatien im Dezember 2020 ein Visum für digitale Nomaden beschlossen. Bürger aus Drittstaaten, die für eine kroatische Firma arbeiten, sind während ihres einjährigen Aufenthalts für ein Jahr komplett von der Steuer befreit. Als digitale Nomaden gelten Personen, die von außerhalb der EU kommen und die in der "Kommunikationstechnologie" entweder als Beschäftigter im Homeoffice oder für ein eigenes Unternehmen mit Sitz im Ausland arbeiten.
Malta wiederum will mit seiner zu Jahresbeginn gegründeten "Malta Digital Nomad Association" die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Non-Profit-Organisation, eine Initiative der drei Expatriates Daniel Goebel, Loic Moncany and Minou Schillings, erhält auch Unterstützung von der Regierung, die bald neue Regelungen für digitale Migranten veröffentlichen will. "Fernarbeitern" - "remote workers - soll das Leben und Arbeiten auf der Mittelmeerinsel erleichtert werden. Malta punktet nicht nur mit 300 Sonnentagen im Jahr, sondern auch mit niedrigen Lebenshaltungskosten und der Amtssprache Englisch.•