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Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, in der es schwierig geworden ist zu prognostizieren, welche Leistungen vor der absehbaren Ewigkeit Bestand haben werden. Der Wert von Innovationen lässt sich unmöglich aus der Perspektive jenes Moments ermessen, aus dem heraus sie entstanden sind. Geld als einzig verfügbarer objektiver Vergleichsmaßstab taugt nicht im Angesicht kommender Jahrhunderte. Und Prominenz hat für sich allein jegliche Aussagekraft verloren, hängt diese doch allein von der wankelmütigen Gunst der Medien ab.
Es ist daher schlicht unmöglich zu sagen, was und vor allem wen spätere Generationen einmal aus unserer Gegenwart herausheben werden. Möglich, dass Steve Jobs tatsächlich in einigen Jahrhunderten als Leonardo da Vinci des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts gepriesen werden wird, wie nun ein japanisches Software-Haus den Gründer und Motor von Apple mit tiefer Verbeugung würdigte.
Mindestens so wahrscheinlich ist, dass Jobs zu einer Fußnote in der Geschichte degradiert sein wird - und stattdessen derjenige brillante Kopf, der tatsächlich die eine oder andere Apple-Innovation ersonnen hat, posthum in den Olymp gehoben wird. Jobs könnte für sich dann immerhin die Rolle des ökonomischen Ermöglichers beanspruchen; solche Personen fallen allerdings - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in aller Regel dem Vergessen anheim.
Kaum wahrscheinlich ist, dass Steve Jobs den Lauf der Geschichte in relevanter Weise beeinflusst hat. Das ist ein zu großer Maßstab.
Was es so schwierig macht zu beurteilen, was von seinen Leistungen bleibt, ist der unvorstellbare Hype, der sich um die Person Jobs und sein Unternehmen längst entwickelt hat: Ist dieser lediglich ein Spektakel, das innerhalb kurzer Zeit von neuen Attraktionen auf dem Medienmarkt abgelöst werden wird? Oder versteckt sich hinter den fast schon hymnisch zu nennenden Lobpreisungen auf den Guru tatsächlich ein solches Ausnahmetalent, das nur einige wenige Male in einem Jahrhundert auf dieser Erde wandelt?
Was der Apple-Gründer und charismatische Unternehmensführer auf jeden Fall geschafft hat, ist, seiner und unserer Zeit mit seinen Produkten die technische Entsprechung eines Lebensgefühls zu geben. Das ist - bei allem Misstrauen gegenüber modernen Legenden - keine kleine Leistung.