Die Parlamentswahlen im Iran finden unter Ausschluss der Reformer statt.
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Teheran/Wien. Die Zensurbehörde hat rigoros darauf geachtet, dass es zu keinerlei "Störungen" kommt, wenn am kommenden Freitag im Iran die zweite Runde der neunten Parlamentswahlen stattfindet. 65 der 290 Sitze im Majles (Parlament) sind noch zu vergeben. Das Internet wurde verlangsamt, die Opposition mundtot gemacht, Satellitenschüsseln, die westliche Sender empfangen können, demontiert und die Bevölkerung mittels SMS aufgerufen, auf "feindliche Aktionen" zu verzichten. Zusätzlich wurde die Polizeipräsenz in allen wichtigen Städten des Landes massiv verstärkt.
Überraschungen hinsichtlich des Ergebnisses wird es keine geben. Schon bei der ersten Runde hat sich ein deutlicher Trend bestätigt: Der Urnengang stärkte das konservative Lager der Prinzipalisten rund um den derzeitigen Parlamentspräsidenten Ali Larijani, der in seinem Wahlkreis Ghom, einen fulminanten Wahlsieg eingefahren hat. Die konservativen Gruppierungen rund um Larijani stehen alle dem obersten religiösen Führer Ayatollah Seyed Ali Khamenei nahe und werden im nächsten Parlament den Ton angeben. Großer Verlierer sind die Prinzipientreuen rund um Präsident Mahmoud Ahmadinejad. Sie mussten im ganzen Land herbe Verluste hinnehmen.
Doch die Wahl wird ohnehin kein Abbild der Meinung im Land ergeben - unter anderem, weil der aus Klerikern und Juristen zusammengesetzte Wächterrat viele Kandidaten nicht zuließ. Reformer hatten kaum eine Chance. Eine geringe Wahlbeteiligung, wie sie die Opposition vermutet, könnte darauf hindeuten, dass die Verbitterung in der Bevölkerung nach der Präsidentenwahl im Jahr 2009 noch immer groß ist. Damals wurden Vorwürfe der Wahlfälschung laut. Zehntausende Menschen demonstrierten monatelang für Demokratie. Die Proteste wurden letztlich gewaltsam niedergeschlagen.
Larijani, Mann der Zukunft
All diese Dinge hat Larijani noch gut im Kopf. Für den 53-jährigen Politiker, der von vielen auch als nächster Präsident gehandelt wird, ist der Sieg über Ahmadinejad, für den sich diese Wahl in vielerlei Hinsicht immer mehr und mehr zum Desaster entwickelt, eine große Genugtuung. Der Zwist zwischen den beiden begann 2007, als Larijani von Ahmadinejad in einer Nacht-und-Nebel-Aktion als Atom-Unterhändler abgesetzt worden war, um dann durch Khameneis Unterstützung erstarkt aufs politische Parkett zurückzukehren.
Er ist seither persönlicher Atomberater des Obersten Führers und Parlamentspräsident. Larijani stellte im Hintergrund offenbar schon seit Wochen die Weichen für den Anfang vom Ende der Ära Ahmadinejad. So verfügte er selbst, dass der Präsident im März eine noch nie dagewesene Anhörung im Parlament über verschiedene Missstände in der Islamischen Republik über sich ergehen lassen musste. Auch wenn der Präsident bei dieser Anhörung die Abgeordneten verhöhnte und von ihnen verlangte, ihm für seinen Regierungsstil die Bestnote zu geben - die Symbolik war ausschlaggebend. Ein Präsident wurde erstmals vors Hohe Haus zitiert und die Welt sah zu.
Ahmadinejad muss also die wenigen verbleibenden Monate seiner zweiten Amtszeit mit einem erstarkten Gegenwind aus dem Majles regieren. Da er 2013 nach zwei Amtszeiten nicht wieder kandidieren darf und bei den Parlamentswahlen abgestraft wurde, werden nun auch seinen Kandidaten wenige Chancen für das Präsidentenamt eingeräumt. Pikantes Detail am Rande ist der Vorstoß Khameneis, den nächsten Präsidenten nicht mehr vom Volk, sondern durch das Majles wählen zu lassen. Eine entsprechende Verfassungsänderung soll noch heuer ins Auge gefasst werden.