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Sozialdemokratischer Rechtsprofessor hat bessere Karten in der Hand. | Kroatien will 2011 oder 2012 der EU beitreten. | Erste Wahl-Runde ging an Josipovic. | Zagreb. (Reuters) In einer Stichwahl entscheiden die Kroaten am Sonntag darüber, welcher Präsident sie möglicherweise in einigen Jahren in die Europäische Union führt. In Meinungsumfragen liegt der sozialdemokratische Kandidat, der Rechtsprofessor Ivo Josipovic, vor seinem ehemaligen Parteifreund und Bürgermeister von Zagreb, Milan Bandic. Während Josipovic ankündigte, vor allem die Korruption im Land bekämpfen zu wollen, warnte der von der katholischen Kirche unterstützte Bandic vor einem Rückfall in den Kommunismus.
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Auslandskroaten als Zünglein an der Waage
Beide befürworten die Bemühungen des Landes, 2011 oder 2012 Mitglied in der EU zu werden. Die erste Wahlrunde Ende Dezember konnte der in der Politik als relativ unerfahren geltende Jurist Josipovic mit deutlichem Vorsprung für sich entscheiden. In Meinungsumfragen lag er zuletzt bei rund 55 Prozent. Allerdings berücksichtigten diese nicht die rund 400.000 Auslandskroaten, die das Zünglein an der Waage sein könnten. Sie wohnen vor allem in Bosnien und dürften eher dem dort geborenen Bandic zuneigen.
Der Präsident verfügt über begrenzte Zuständigkeiten im Bereich der Diplomatie, der Verteidigung und der Geheimdienste, hat aber in Fragen der Wirtschaft wenig zu sagen. Dennoch versprach Bandic den 4,4 Millionen Kroaten, für neue Arbeitsplätze zu sorgen. In Lokalmedien wurden er und seine Stadtverwaltung wiederholt in die Nähe von Korruptionsskandalen gerückt, ohne dass jedoch jemals Anklage erhoben worden wäre.
Für den Chefredakteur der Tageszeitung "Jutarnji List", Davor Butkovic, ist die Präsidentenwahl viel wichtiger als es noch vor einem Monat den Anschein gehabt habe. "Wir wählen zwischen einem zivilisierten Staat, der von Recht und Gesetz bestimmt wird, und einem chaotischen Staat voll Vetternwirtschaft", sagt er. Für viele Bürger ist es jedoch entscheidender, dass sich die wirtschaftliche Lage des Landes rasch verbessert. "Die Leute sollten nicht in Rote und Gläubige unterteilt werden", meint etwa der Obsthändler Stef Zagorec. "Für kleine Leute wie uns zählen Arbeitsplätze (.. .) alles andere ist unbedeutend."
Experten zufolge dürfte Josipovic eher den Anti-Korruptionskurs von Ministerpräsidentin Jadranka Kosor unterstützen, wie er von der EU in Brüssel gefordert wird. "Josipovic hat die Regierungsagenda eindeutig unterstützt, die das Land braucht. Mit Bandic ist das nicht so klar", sagte ein EU-Diplomat in Zagreb.