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Nikos Anastasiadis verfehlt absolute | Mehrheit bei Präsidentenwahlen knapp.
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Nikosia. Für den Favoriten der wegweisenden Präsidentenwahlen auf Zypern hatte der Urnengang am Sonntag medienwirksam um 9:36 Uhr begonnen. Mit Kind und Kegel gab der konservative Nikos Anastasiadis im Wahllokal in der Laniteio-Schule in seiner Heimatstadt Limassol seine Stimme ab. "Ich rufe alle Zyprioten, unabhängig von traditionellen Parteivorlieben und Ideologien dazu auf, mir ein starkes Mandat zu geben, damit ich eine Regierung der nationalen Rettung bilden kann", erklärte der 66-jährige Rechtsanwalt vor einer euphorischen Anhängerschar - und erntete für seine einenden Worte prompt brandenden Applaus. Insgesamt hoffte das Anastasiadis-Lager zu jenem Zeitpunkt noch darauf, schon im ersten Wahlgang, bei dem immerhin elf Kandidaten antraten, die Marke von 50 Prozent der Stimmen knacken zu können.
Als die ersten Hochrechnungen nach dem Schließen der landesweit 1138 Wahllokale sowie 40 Wahllokale im Ausland einen Anastasiadis-Sieg mit bis zu 52,5 Prozent der Stimmen bereits im ersten Wahlgang prognostizierten, wähnten sich Anastasiadis und Co. bereits im siebten Himmel. Doch beim Auszählen der Stimmen wurde rasch klar: Für einen Ad-hoc-Triumph wird es nicht ganz reichen.
Laut dem offiziellen Endergebnis des Innenministeriums votierten letztlich 200.571 Zyprioten und damit 45,46 Prozent der Wähler für Anastasiadis. Ihm folgten mit 118.725 Stimmen und damit 26,91 Prozent der Stimmen Ex-Gesundheitsminister Stavros Malas von der reformkommunistischen Akel-Partei des scheidenden Präsidenten Dimitris Christofias. Wacker schlug sich auch der von den Eedek-Sozialisten unterstützte Ex-Außenminister Georgios Lillikas. Mit beachtlichen 110.000 Stimmen (24,93 Prozent) schaffte Lillikas aber nicht den Sprung in die Stichwahl. Diese findet nun am kommenden Sonntag zwischen Anastasiadis und Malas statt. Favorit Anastasiadis gab sich optimistisch: "Das ist ein Sieg der Bürger, die ein neues Kapitel aufschlagen wollen."
Distanz zur Troika
Nicht nur die Wahlforscher sind sich einig, dass Außenseiter Malas seinen stets übermächtig scheinenden Kontrahenten Anastasiadis in der Stichwahl wohl kaum noch abfangen wird können: Spannend bleibt allerdings die Frage, wie sich die 110.000 Lillikas-Wähler beim Showdown verhalten werden. Da spricht einiges für ein Votum pro Malas. Zum einen stammt Lillikas aus dem Akel-Lager. Und er hatte sich im Wahlkampf mit scharfen Tönen gegenüber der Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds profiliert, mit der über dringend benötigte Hilfskredite in Höhe von 17,5 Milliarden Euro für das pleitebedrohte Land verhandelt wird. Wahlsieger Anastasiadis hat sich gegenüber der Troika hingegen deutlich moderater gezeigt.
Der studierte Politologe Lillikas lässt sich allerdings noch nicht in die Karten schauen. Eine Wahlempfehlung wollen auch die Edek-Sozialisten voraussichtlich erst am Donnerstag abgeben. Treffend titelte die zypriotische Tageszeitung "Simerini" am Montag: "Anastasiadis ist der Favorit. Das Zünglein an der Waage sind aber Lillikas und die Edek-Sozialisten." Die konservative Gazette "Politis" titelte dagegen mit sprühender Zuversicht: "Anastasiadis hat ein starkes Mandat für den zweiten Sonntag erhalten."
Aber auch Akel-Kandidat Malas, der schon am Sonntag die Pessimisten im eigenen Lager Lügen strafte, wittert Morgenluft. Der 45-Jährige rief noch am Wahlabend "alle fortschrittlichen Kräfte dazu auf, seine Kandidatur zu unterstützen" - ein klarer Fingerzeig in Richtung Lillikas-Wähler. Zudem hofft insbesondere das Malas-Lager in der "Mutter aller Schlachten" auf jene 16,86 Prozent der Stimmberechtigten, die dem ersten Wahlgang ferngeblieben waren (noch nie war der Anteil der Nichtwähler bei Präsidentenwahlen so hoch wie heuer). Wahlforscher vermuten, dass sich unter ihnen viele enttäuschte Akel-Stammwähler befinden. Auf die kleine zypriotische Gemeinde in Österreich kann Malas hingegen nicht zählen. In der Wiener Botschaft votierten 48 Prozent der 51 wählenden Zyprioten für Anastasiadis.
Enttäuschte Wähler
Unterdessen bewerteten die Bürger auf der Aphroditeninsel den ersten Wahlgang unterschiedlich. "Ich bin von der Politik total enttäuscht. Ich schenke keinem Kandidaten mein Vertrauen", meinte die 72-jährige Rentnerin Diana Antoniou. "Dennoch habe ich am Sonntag gewählt. Es verletzt mich, wenn ich von jungen Arbeitslosen, mittellosen Familien und Armenspeisungen lese. Das hat Zypern noch nie erlebt." Der Arbeitslose Frixos, 39, findet: "Das Erste, was der neue Präsident tun muss, ist unsere Stimmung zu heben."
Verwunderung löste derweil der Umstand aus, dass der mächtige Erzbischof Chrysostomos II. am Wahlsonntag im Libanon weilte, anstatt in der Heimat wählen zu gehen. Er war zwar dienstlich verreist. Im Internet wurde die Abwesenheit des Kirchenmannes jedoch mit beißender Ironie kommentiert. Ein Facebook-Nutzer ätzte gar: "Da ist Anastasiadis eine sichere Stimme verloren gegangen." Pünktlich zur Stichwahl ist Chrysostomos II. aber wieder auf Zypern.