)
Selbsthilfegruppen kämpfen gegen Diskriminierung. | Betroffene werden oft als Prostituierte oder drogenabhängig gesehen. | Wien. Er hätte es eigentlich besser wissen müssen, sagt er. Denn er war Krankenpfleger und daher mit Krankheiten bestens vertraut. Doch eine launige Nacht im Jahr 1996 ließ ihn alles vergessen, und das Leben verpasste ihm für diese "riesengroße Dummheit", wie er erzählt, einen Denkzettel. Helmut Garcia, 55 Jahre alt, hatte ungeschützten Sex und lebt nun seit 14 Jahren mit dem HI-Virus.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Damals war die Diagnose Aids noch ein Todesstoß. Doch heute liegen dank moderner Therapien die Überlebenschancen bei mehr als 90 Prozent der Patienten. Mehr als zwei Drittel der HIV-Infizierten nehmen laut Studie des Sozialwissenschafter Olaf Kapella maximal drei Tabletten am Tag zu sich und führen zumindest aus körperlicher und medizinischer Sicht ein fast ganz normales Leben.
So auch Garcia. Ärzte gaben ihm nach der Diagnose 1996 zwei bis drei Jahre. Freunde wandten sich von ihm ab. Der Gang zu Ärzten wurde zum Spießrutenlauf. "Einen Zahnarzt oder Urologen zu finden, der einen behandelte, war in den 90er Jahren noch denkbar schwierig", erzählt er.
"Nehmen Sie diese Tabletten, sonst werden sie sterben", bekam Wiltrut Stefanek eine knappe und distanzierte ärztliche Auskunft zu hören. Die Wienerin hatte sich ebenfalls Mitte der 90er Jahre mit dem HI-Virus infiziert. Und als sie ihre Jobsuche zum Arbeitsamt führte und sie angab, HIV-positiv zu sein, sagte die Dame am Schalter: "Kommens wieder, wenns gsund sind."
Vom Ehemann angesteckt
"Wenn du als Frau HIV-positiv bist, dann wirst du sofort als Drogenabhängige oder Prostituierte stigmatisiert", so Stefanek. Doch ihre Geschichte ist eine gänzlich andere. Die Wienerin war verheiratet und hat einen Sohn. Als sie sich nach zehn Jahren Ehe von ihrem Mann trennen wollte, erfuhr sie, dass dieser schon bei ihrem Kennenlernen wusste, dass er HIV-positiv war und ihr nichts sagte. Neun Jahre lang kam es zu keiner Ansteckung, und erst im Jahr der Trennung infizierte sich Stefanek bei ihrem Mann und lebt seitdem mit dem Virus. Die Diagnose, dass sie HIV-positiv sei, sei weniger schmerzhaft gewesen als die Tatsache, dass ihr Ehemann ihr das angetan hatte.
Der Großteil der Infizierten leidet im Zuge der Behandlung an Nebenwirkungen. Müdigkeit und Depressionen sind es bei Garcia. Er arbeitete nach der Diagnose noch einige Jahre in seinem Beruf und gründete 1999 die Selbsthilfegruppe "Positiver Dialog". Er lebt heute wieder in einer Beziehung. Stefanek ist Initiatorin des Netzwerkes "Frauen und Aids". "Ich habe mehr Angst vor einem Flugzeugabsturz als davor, an Aids zu sterben", sagt sie. Garcia: "Man durchläuft viele Stadien, bis man die Krankheit akzeptiert. Wir leiden unter Diskriminierung. Nicht das Virus ist tödlich, es ist die Stigmatisierung, die mitunter tötet. So hat sich mein Adressbuch komplett verändert..."
Aids 2010
Die 18. Internationale Aids-Konferenz findet vom 18. bis 23. Juli unter dem Motto "Rechte hier und jetzt" auf dem Wiener Messegelände statt. Es werden rund 25.000 Teilnehmer aus aller Welt erwartet. Somit ist die AIDS 2010 einer der größten Kongresse, die es in Wien je gegeben hat. Organisiert wird die alle zwei Jahre stattfindende Großveranstaltung von der Internationalen Aids Gesellschaft (IAS).
Das Programm reicht von der Präsentation wissenschaftlicher Erkenntnisse bis zur Diskussion über die wichtigsten Probleme im globalen Umgang mit HIV. Die AIDS 2010 will das Bewusstsein für die Krankheit und ihre Folgen schärfen. Besonderes Augenmerk soll auf Osteuropa und Zentralasien gelegt werden. Es kommen prominente Wissenschafter wie Francoise Barre-Sinoussi, die 2008 für die Entdeckung von HIV den Medizin-Nobelpreis erhielt.
Zu den Gästen der Veranstaltung zählen etwa Bundespräsident Heinz Fischer, der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und Gesundheitsminister verschiedener Länder. Auch leitende Persönlichkeiten internationaler Organisationen sowie aus dem Wirtschafts- und Kulturleben, etwa US-Schauspielerin Whoopi Goldberg, werden erwartet. Mehrere der Teilnehmer werden auch beim Wiener Life Ball am 17. Juli zu Gast sein.