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Stiller Tod eines ewigen Aufwieglers

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Vor 30 Jahren starb Rudi Dutschke. | Berlin. Vor 30 Jahren starb der deutsche Studentenführer Rudi Dutschke an den Spätfolgen eines Attentats, das elf Jahre zuvor auf ihn verübt worden war. Der Wortführer der 68er-Bewegung erlitt am Weihnachtstag 1979 einen epileptischen Anfall in der Badewanne und ertrank. Am Begräbnis nahmen 6000 Menschen teil, Helmut Gollwitzer, ein evangelischer Theologe und überzeugter Sozialist, hielt die Trauerrede.


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Dutschkes Beisetzung erfolgte am 3. Jänner in der Nähe der FU Berlin, da, wo sich der Aufwiegler unter dem Schlagwort "Kritische Universität" 1967/68 für eine umfassende Bildungsreform eingesetzt hatte. Hunderte Studenten machten damals in Eigenregie mobil, insgesamt 33 Arbeitskreise befassten sich mit Fragen der Hochschulreform und debattierten über Berufschancen für Jungakademiker. Die Parallelen zur Wiener Audimax-Besetzung 2009 sind unübersehbar, auch wenn die politischen Vorstellungen damals ungleich radikaler waren. Immerhin forderten die Studenten auch 1968 Modelle basisdemokratischen Lernens - sie orientierten sich dabei an den Vorbildern Berkeley und Paris. Zudem sollte es eine für Schüler und Arbeiter offene "Gegenuniversität" geben.

Im Februar 1968 kam es zum Showdown, als an der Berliner TU der Vietnamkongress tagte. Einige tausend Studenten - allen voran Rudi Dutschke - riefen die US-Soldaten in Vietnam zur Desertion auf und verlangten nichts weniger als die Zerschlagung der Nato.

Wut auf Springer

Das Attentat auf Dutschke, begangen im April 1968 von einem 23 Jahre alten rechtsradikalen Bauhilfsarbeiter, war für viele ein Schock. Die Studentenbewegung war damals auf charismatische Führer angewiesen, Dutschke fiel in der Folge als Leitfigur aus, zog sich weitgehend aus Deutschland zurück. Zahlreiche Studenten machten die Springer-Presse für das Attentat verantwortlich, da vor allem die Bild-Zeitung zuvor gegen Dutschke agitiert hatte. Es kam zu Ausschreitungen, das Springer-Gebäude wurde angegriffen, Auslieferungsfahrzeuge in Brand gesteckt.

Dutschke selbst hatte lebensgefährliche Gehirnverletzungen erlitten und musste mühsam das Sprechen wieder erlernen. Der Attentäter, Josef Erwin Bachmann, wurde von einem Schwurgericht zu sieben Jahren Haft verurteilt, im Februar 1970 beging er Selbstmord.

Die Person Dutschke indes polarisiert bis heute. Bürger im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg setzen im Jahr 2007 die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße durch, an der nun - als historische Pointe - das Axel-Springer-Haus liegt.