Bund will im Juni das Nahverkehrsgesetz beschließen. | Gefahren: Ausdünnung des Angebots, höhere Preise. | Wien. Die Reform des Nahverkehrs soll der große Wurf werden. Den hat sich Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka noch für diese Legislaturperiode vorgenommen. Gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärt er, dass das neue Gesetz noch im Juni im Parlament beschlossen werden kann - auch ohne die Zustimmung der Länder. Doch um die Stimmung vor den Wahlen nicht zu verderben, setzt er auf Kooperation und erklärt, nichts gegen die Länder durchzusetzen.
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Der Entwurf liegt bereits zur Begutachtung vor, am Dienstag endet die Frist. Betroffen von den Änderungen sind vor allem die Länder später womöglich die Fahrgäste. Ab März wird unter dem Vorsitz von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll bei den Verhandlungen die Länderfront gegen den Bund antreten.
Nebenbahnen an Länder
Unter dem Schlagwort Regionalisierung soll nämlich die Kompetenz für Regionalbahnen den Ländern übertragen werden. Als Zuckerl lockt die Zusage, dass der Bund mehr Geld als bisher zur Verfügung stellt - nämlich insgesamt 30 Millionen Euro. Doch die Länder sind mittlerweile vorsichtig, sie wollen keine Versprechungen mehr, sondern das Geld. Denn bei der letzten Gesetzesänderung 1999 wurden den Ländern 65 Millionen Euro jährlich versprochen, tatsächlich gezahlt wurden indes nur 11,5 Millionen Euro. Laut neuem Vorstoß sollen die Länder mit den Verbünden für die Koordination der benötigten Bahnstrecken verantwortlich sein, der Bund zieht sich aus dieser Aufgabe zurück. Was Ländern, Gewerkschaft und Fahrgastvertretern jedoch missfällt: Jener Passus, der im alten Gesetz die Grundversorgung sichergestellt hat, soll gestrichen werden. Niemand wäre mehr für ein Minimalangebot an öffentlichem Verkehr verantwortlich. Der oberste Verkehrsplaner Niederösterreichs, Friedrich Zibuschka, stellt unmissverständlich klar: Ohne Grundversorgung geht nichts. Dieser Punkt muss auch ins neue Gesetz.
Der Stimme Niederösterreichs wird beim Tauziehen um Geld und Verantwortung viel Gewicht begemessen. Als wichtiger Verhandler gilt aber auch Leonhard Höfler, er ist Verkehrskoordinator Oberösterreichs. Er steht dem Kukacka-Plan skeptisch gegenüber: "Das Risiko für die Länder ist groß, da die Zahlungen des Bundes gedeckelt werden." Die Schienenmaut aber bleibt nicht konstant, sie muss vom Personenverkehr entrichtet werden und steigt laut Höfler jährlich um 6 Prozent. "Die Kosten laufen uns somit davon." Es gebe sicherlich Reformbedarf, aber nicht zu Lasten eines Partners.Aus diesem Grund könne Oberösterreich den Plänen nicht zustimmen.
Weiters soll den Ländern freigestellt werden, ob sie das Geld für die Bahn oder Bus verwenden. Sie müssen entscheiden. Damit besteht aber, darüber sind sich Höfler und andere Experten einig, die Gefahr, dass das Regionalbahnangebot stark ausgedünnt wird: Im Grunde will der Bund die Nebenbahnen nicht selbst einstellen und schiebt nun den schwarzen Peter den Ländern zu. Nicht einmal Kukacka bestreitet dies, im Gegenteil: "Die Länder werden eben manche Nebenbahnen einstellen und dafür bleibt ihnen dann mehr Geld für den Bus." Er geht jedoch davon aus, dass das Gesetz zu einer Verbesserung der Situation im öffentlichen Verkehr führen wird.
Pendler auf der Strecke
Für Höfler sind noch viele Punkte ungeklärt. Was passiert, wenn die ÖBB Züge aus dem Verkehr nimmt? Er spricht von beängstigenden Signalen aus den ÖBB. Es gebe bereits Überlegungen für Pendler wichtige Fernverkehrstrecken aufzugeben. Dies sei auch in der Vergangenheit passiert. Doch die Länder wären nicht in der Lage mit der Bereitstellung eines Ersatzangebotes einzuspringen. Auf der Strecke könnte der Fahrgast bleiben. Ähnlich sieht dies auch Walter Kollerits, ehemals bei der Bahn Leiter des Unfall- und Erhebungsdienstes: "Wenn das Gesetz in der vorliegenden Form kommt, wird es teuer. Zuerst für die Länder, doch am Ende der Reise könnten die Pendler zur Kasse gebeten werden."
Siehe auch
EU drängt auf Wettbewerb im Personenverkehr