Ein umstrittenes Referendum in der Republika Srpska findet - vorerst - nicht statt. Doch der Zwist zwischen Muslimen, Serben und Kroaten lähmt Bosnien-Herzegowina weiter.
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"Na gut, dann machen wir es halt nicht." Zu diesem Schluss sind die bosnischen Serben gekommen, nachdem ihre Pläne zu einem Referendum auf heftigen Widerstand gestoßen waren. Es ist wie ein politisches Spiel, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholt. Aus der Republika Srpska, dem kleineren Landesteil Bosnien-Herzegowinas, kommt ein Vorschlag, der im anderen Teil als Provokation angesehen wird. Die internationale Gemeinschaft schaltet sich ein, verurteilt jegliche potenzielle Abspaltungstendenzen; die EU zieht nach und fordert Reformen statt Streit ein.
Dennoch sind derartige Zwistigkeiten mehr als ein vernachlässigbares politisches Hickhack. Die jüngste Auseinandersetzung hat Bosnien-Herzegowina nämlich an den Rand einer schweren Krise gebracht - der schwersten seit der Schaffung des Staates vor 15 Jahren. So sieht das zumindest Valentin Inzko, der internationale Bosnien-Beauftragte.
Und so legte er es auch vor wenigen Tagen in seinem Bericht vor dem UNO-Sicherheitsrat dar - worauf er prompt Kritik vom russischen Vertreter erntete. Der befand, dass Inzkos Rede emotional gewesen und der Bosnien-Beauftragte selbst in die jüngsten Streitigkeiten allzu sehr involviert sei.
Tatsächlich ging es bei den Referendumsplänen auch um die Person - und vor allem die Befugnisse - des Hohen Repräsentanten. Denn die Frage, die dem Volk in der Republika Srpska gestellt werden sollte, lautete: "Werden die aufgezwungenen Entscheidungen des Hohen Repräsentanten, namentlich die Gesetze über das Gericht und die Staatsanwaltschaft Bosnien-Herzegowinas, von Ihnen unterstützt?" Den gesamtstaatlichen Justizbehörden werfen bosnische Serben vor, sich vor allem mit mutmaßlich von Serben begangenen Verbrechen zu befassen.
Das Föderationsparlament in Sarajewo war empört, Vertreter der internationalen Gemeinschaft waren es auch. Sie verwiesen auf das Dayton-Abkommen, auf dessen Grundlage Bosnien-Herzegowina geschaffen wurde, das von vielen als künstlich zusammengestoppeltes und nur unter Mühen aufrecht erhaltenes Staatengebilde gesehen wird. Doch pocht ebenfalls die EU auf die Einhaltung des Vertrags - was auch für Serbien, das sich um eine Annäherung an die Union bemüht, wohl mit ein Grund war, ein Referendum gegen das Dayton-Abkommen abzulehnen.
Die bosnischen Serben aber hielten an ihren Plänen fest, drohten sogar mit einem Auszug aus allen gesamtstaatlichen Institutionen. Der Hohe Repräsentant setzte eine Frist, um den Beschluss über die Volksabstimmung rückgängig zu machen, und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reiste an, um in Banja Luka für einen Kompromiss zu werben.
Schließlich lenkte am Freitag der bosnisch-serbische Präsident Milorad Dodik ein. Das Referendum sei doch nicht notwendig, erklärte er nach dem Treffen mit Ashton. Nötig seien aber Justizreformen - und über die werde mit der EU beraten.
Die - vorläufige - Beilegung des aktuellen Zwistes ändert jedoch nichts daran, dass seit mehr als zehn Jahren der Streit zwischen Muslimen, Serben und Kroaten das Land lähmt. Auch sieben Monate nach den Parlamentswahlen mühen sich die Parteien mit der Bildung einer gesamtstaatlichen Regierung. Trotz Milliarden Euro Finanzhilfen liegt die Wirtschaft am Boden, jeder vierte Mensch ist arbeitslos.
Die muslimisch-kroatische Landeshälfte stand im Vorjahr gar vor einem Finanzkollaps. Es konnte nicht einmal ein Nothaushalt für die ersten Monate diesen Jahres beschlossen werden - weil es kein Parlament gab.