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Stimmen mit Stimmung

Von Brigitte Pechar

Politik

Meinungsforscher Bachmayer: Im oberösterreichischen Wahlkampf kommen Inhalte überhaupt nicht vor.


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Linz/Wien. Eine starke Industrie samt ausgeprägtem Dienstleistungssektor und großen Landwirtschaftsbetrieben ist für das Land Oberösterreich eine solide wirtschaftliche Basis. In Oberösterreich leben auf 14 Prozent der Gesamtfläche Österreichs 17 Prozent der Bevölkerung. Das Land generiert 27 Prozent der industriellen Wertschöpfung Österreichs und 30 Prozent aller Exporte.

In so einem Bundesland sollte die SPÖ eigentlich über eine starke Basis verfügen, könnte man glauben. Und tatsächlich hat die Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) bei den Betriebsratswahlen im dominierenden Leitbetrieb, der Voestalpine, eine uneingeschränkte Vormachtstellung inne. Auch bei der Arbeiterkammerwahl hält die FSG im Land knapp 70 Prozent. Nur: In der Landespolitik ist von dieser roten Machtbastion wenig übrig.

Zwei Gesichter der SPÖ

Am 27. September werden die Karten im Landtag neu gemischt, und die SPÖ, die noch 2003 mit fünf Prozentpunkten Unterschied an die ÖVP herankam, muss nun fürchten, auf Platz drei abzurutschen. Laut einer ÖVP-Umfrage von Juli, die das Institut "M&R - Marktforschung und Regionalfragen" durchgeführt hat, liegt die Volkspartei derzeit bei 39 bis 40 Prozent (2009 47 Prozent), die FPÖ wäre mit 24 bis 25 Prozent (15 Prozent) bereits auf Platz zwei, die SPÖ käme nur noch auf 20 bis 21 Prozent (25 Prozent), die Grünen auf 11 bis 12 Prozent (9 Prozent); die Neos wären mit 2 bis 3 Prozent chancenlos.

Warum wählen die Arbeitnehmer in den Betrieben rot und bei Landtagswahlen schwarz oder blau? Sonja Ablinger, einst SPÖ-Frauenvorsitzende in Oberösterreich, jetzt aus der Partei ausgetreten, sagt dazu: "Erstens ist die FPÖ in den Betrieben schlecht verankert und wird nicht als Interessenvertretung der Arbeitnehmer wahrgenommen. Zweitens profitiert die FPÖ auf Landes- und Gemeindeebene davon, dass sie Stimmungen produziert und die Sozialdemokratie diesen nicht nur nichts entgegenhält, sondern diese Stimmungen auch noch unterstützt. Etwa, indem sie selbst von Integrationsunwilligkeit spricht."

OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer erklärt diese Kluft zwischen Betriebsrats- und Landtagswahlen damit, dass diese grundsätzlich nichts miteinander zu tun hätten: "Beides sind Wahlen, aber da hört sich der Vergleich schon auf." Es gebe nur noch einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz von Wählern, die immer SPÖ wählen: in Betrieb, in der Gemeinde, im Land, im Nationalrat und bei Bundespräsidentschaftswahlen, sagt der Meinungsforscher.

Gefährliches Understatement

Indirekt bestätigt Bachmayer Ablingers Argument mit den Stimmungen. Der Wahlkampf sei bisher völlig frei von thematischen Auseinandersetzungen: "In Oberösterreich sollen Stimmungen Stimmen bringen. Die entscheidende Mehrheit der Wähler ist stimmungsbeeinflusst und nicht themenbezogen", so Bachmayer.

Zu der eingangs zitierten ÖVP-Umfrage, die auch der Landeshauptmann-Partei schlechte Werte ausweist, merkt Bachmayer an, dass dahinter die Hoffnung, fast schon Verzweiflung, stünde, die Nichtwähler oder "Falschwähler" zu mobilisieren. Das könne aber nach hinten losgehen. "Dem steht entgegen, dass die Wähler das sichere Gefühl haben, dass sich an der Machtstruktur nichts ändern wird. Also, dass die ÖVP die klare Nummer eins und Joe (Josef Pühringer, Anm.) Landeshauptmann bleiben wird." Laut Bachmayer könnte zu viel Understatement bei den Umfragen dazu führen, dass die Wähler lieber etwas Neues ausprobieren wollen.

Sein Institut sieht die ÖVP bei 40 Prozent, "aber nicht darunter". Aber auch OGM bestätigt, dass der zweite Platz der SPÖ gefährdet ist. Parteichef Reinhold Entholzer, der heute, Freitag seinen 56. Geburtstag feiert, sei zwar freundlich und verbindlich, habe aber wenig Ecken und Kanten. FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner schaffe als Landesrat die Balance zwischen Protest und Lösungskompetenz. Und: Haimbuchner besetze zwar die harten FPÖ-Themen, tue dies aber in gemilderter Form und Sprache als sein Parteichef Heinz-Christian Strache, sagt Bachmayer.