)
"Referendum" für Selbstbestimmung, Unterschriften für Doppelstaatsbürger. | Rechtspolitikerin: "Es geht um eine Willensbekundung." | Experte: "Das Klima wird vergiftet." | Wien. Seit die Tiroler im Jahr 2009 des Volksaufstands unter Andreas Hofer zweihundert Jahre zuvor gedachten, gärt es wieder im Heiligen Land. Rechtsparteien nördlich und südlich des Brenners fordern immer lauter eine Änderung des politischen Status Südtirols. Nun werden Unterschriften für ein Selbstbestimmungsrecht Südtirols gesammelt, sprich: für den Anschluss an Österreich.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Gemeinde Ahrntal ist das nördlichste Zipfelchen Südtirols. In einer anderen Lesart bildet sie die "Vetta dItalia", die Spitze Italiens. Knapp 6000 Menschen leben in diesem vom mehr als 80 Dreitausendern umgebenen Tal - und hier startet die "Süd-Tiroler Freiheit" ihr Selbstbestimmungsreferendum.
Bis November haben die "Tölderer", wie die Ahrntaler genannt werden, nun Zeit, zu erklären, ob sie dafür sind, "dass die Süd-Tiroler ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben, um frei über die Zukunft des Landes zu entscheiden". Laut Initiatorin Eva Klotz geht es dabei um eine "Willensbekundung und einen Akt der Bewusstseinsbildung", denn rechtlich bindend ist die Volksbefragung nicht.
Eva Klotz ist ein Urgestein in der Südtiroler Politik. Die Tochter des Südtirolaktivisten Georg Klotz (einer der bekanntesten "Bumser", also Bombenleger der 60er Jahre) engagiert sich seit 1980 in der Politik. Anfangs noch für die SVP, später weiter rechts für den Heimatbund, die Union für Südtirol und seit 2007 eben für die "Süd-Tiroler Freiheit".
Dass sich Klotz ausgerechnet das Ahrntal für ihr Referendum ausgesucht hat, kommt nicht von ungefähr, stellt die "Süd-Tiroler Freiheit" hier doch sechs von 18 Gemeinderäten.
Wohin die Reise gehen soll, ist klar: Ziel ist die Angliederung Südtirols an Österreich. "Wir müssen weg aus diesem korrupten Staat (Italien, Anm.), als Tiroler haben wir hier keine Chance." Das ist deutlich, auch wenn Klotz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont, dass völlig egal sei, was sie persönlich wolle, schließlich entscheide die Mehrheit der Bevölkerung.
Unterschriftensammeln hüben wie drüben
Dieser stünden, sollte die Sache mit der Selbstbestimmung im Sinne der "Süd-Tiroler Freiheit" tatsächlich konkret werden, drei Möglichkeiten zur Auswahl: Verbleib bei Italien, Angliederung an Österreich oder Gründung eines unabhängigen Staates Südtirol.
Doch nicht nur jenseits des Brenners sammelt die "Süd-Tiroler Freiheit" Unterschriften, auch in Österreich ist man eifrig am Werk. Gemeinsam mit den Tiroler Schützenverbänden sammelt man hier Unterschriften für eine Bürgerinitiative zur Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. Gäbe es nämlich plötzlich 50.000 oder mehr österreichische Staatsbürger in Südtirol, würde sich Österreich intensiver mit der Thematik beschäftigen, glaubt Klotz.
Eine gewisse Beschäftigung ist sicher, denn für eine Befassung des parlamentarischen Unterausschusses für Bürgerinitiativen braucht es gerade einmal 500 Unterschriften. Der Unterausschuss wird sich die Sache ansehen und in einem Sammelbericht dem Nationalrat zur Kenntnis bringen. "Im Regelfall sind Bürgerinitiativen nicht wahnsinnig erfolgreich", sagt Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen. Bei vielen Unterschriften könne man aber mit einem gewissen medialen Interesse rechnen. Klotz rechnet mit 10.000 Unterschriften.
Glücklich ist man über die Agitation weder in Nord- noch in Südtirol. Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder wird zwar noch diesen Monat ein Gutachten zur Doppelstaatsbürgerschaft präsentieren, was die Frage der Selbstbestimmung angeht, erklärte er aber erst am Dienstag: Eine Wiederangliederung an Österreich oder ein Freistaat Südtirol seien "politisch nicht machbar" oder "nur mit einem Krieg durchsetzbar". Die Forderungen der "Süd-Tiroler Freiheit" bezeichnete er als "nicht realistische Sandkastenspiele".
Skepsis herrscht auch in Österreich, angefangen beim Bundespräsidenten, über den Außenminister bis hin zur SPÖ. Hermann Gahr (ÖVP), Vorsitzender des Südtirolausschusses des Nationalrats, hat zwar Verständnis dafür, "dass Südtirol seine Position stärken möchte", er hätte sich aber erwartet, "dass man zuerst mit dem offiziellen Österreich Kontakt aufnimmt". Letztlich sei auch "fraglich, ob es etwas bringt".
"Nicht förderlich für das Zusammenleben"
Nicht nur als sinnlos, sondern geradezu als gefährlich bezeichnet der Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer von der Uni Innsbruck die Pläne der "Süd-Tiroler Freiheit". So könnte etwa die Schaffung der Doppelstaatsbürgerschaften durch Österreich von Italien als unfreundlicher Akt betrachtet werden und "das Klima zwischen den beiden Staaten vergiften". Zumal es keinen Grund dafür gebe: Südtirol verfüge über ein "sehr gutes Autonomiestatut", das der Region Privilegien bringe, von denen andere Regionen nur träumen könnten. Von Unterdrückung der Bevölkerung könne also keine Rede sein. Karlhofer verweist auch auf die nicht unbeträchtliche italienischsprachige Minderheit in Südtirol: Da seien solche Pläne "nicht förderlich für das Zusammenleben der Volksgruppen".
Ähnlich sieht es übrigens auch die Nordtiroler Bevölkerung. Laut einer Umfrage der "Tiroler Tageszeitung" lehnen 64 Prozent eine Wiedervereinigung mit Südtirol ab. Gegen eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler sind sogar 66 Prozent. Davon lässt sich Eva Klotz nicht abbringen, denn "ich will mir nicht den Vorwurf machen müssen, nicht alles legal Mögliche versucht zu haben".