Der Preis für das schwarze Gold ist erneut auf unter 50 Dollar gesunken.
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Wien. Die Stimmung bei den "Big Oil"-Konzernen ist an einem weiteren Tiefpunkt angelangt. Der Preis für das Schwarze Gold sinkt und sinkt. Am Donnerstag konnte der erneute Abwärtstrend der vergangenen zwei Wochen zwar kurz gestoppt werden - dennoch kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im September 49,88 Dollar. Der Preis lag somit erneut unter der psychologisch wichtigen Marke von 50 Dollar. Licht ist für die Ölförderer weiter nicht in Sicht. Momentan vergeht kaum ein Tag, an dem Analysten prognostizieren, was vor zwei Jahren noch undenkbar schien: Die Rohölpreise bleiben - zumindest mittelfristig - niedrig.
Das Dilemma für die Ölkonzerne begann vor etwa mehr als einem Jahr. Kostete ein Fass Öl im Frühjahr 2014 noch 120 Dollar, waren es im Sommer 100 Dollar. Ein erster Tiefpunkt war im Jänner erreicht, als der Preis für das Fass unter 50 Dollar fiel. Dazwischen schlug das Preis-Pendel ab und an über 60 Dollar aus, bevor man nun erneut unter der Marke von 50 Dollar landete. Der Verlust betrug allein im Juli 15 Prozent. Den großen Ölmultis brechen die Gewinne weg, sie kürzen reihenweise ihre Investitionen und streichen Arbeitsplätze. Alleine Shell will 6500 seiner knapp 100.000 Stellen abbauen. Demnach stellen sich auch die Firmen offenbar auf eine längere Tiefpreisphase ein.
Marktüberschuss liegt bei gut drei Millionen Barrel täglich
Der drastische Rückgang der Rohölpreise liegt am übergroßen Angebot an Öl am Weltmarkt. Derzeit schätzen Branchenexperten den Überschuss bei drei Millionen Fässern täglich. Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen. An erster Stelle steht die Schieferölproduktion in den USA. Die USA fördern mithilfe der Fracking-Technik heute so viel Öl wie lange nicht, und das immer schneller. Viele erwarteten, dass der niedrige Ölpreis die teure Fracking-Ölförderung zum Stillstand bringt, da sie ab einem gewissen Ölpreis unrentabel wird. Die US-Branche hält sich aber für viele Marktbeobachter unerwartet gut. Der niedrige Ölpreis konnte die amerikanische Schieferölproduktion bisher lediglich bremsen.
Im Vorjahr weiteten die USA ihren Anteil an der Weltölproduktion um 1,5 Prozentpunkte auf 12,3 Prozent aus. Die Vereinigten Staaten schafften es damit in den vergangenen drei Jahren, ihre Tagesproduktion an Erdöl jeweils um über 1 Million Fass auszudehnen. Das erlaubte ihnen, zum bisher weltweit größten Erdölförderer Saudi-Arabien aufzuschließen. Laut Alexander Naumow ist kein rasches Ende in Sicht: Den Prognosen des BP-Ökonomen zufolge dürfte erst ab den 2020ern weniger Schieferöl gefördert werden.
Schieferölproduktion erhöht Angebot dauerhaft
Nicht weniger relevant für die Ölschwemme war die Entscheidung des Ölkartells Opec im November, die Förderung nicht zu drosseln. Früher intervenierte die Opec in Tiefpreisphasen immer wieder, um den Ölpreis durch weniger Öl am Markt in die Höhe zu treiben. Diesmal jedoch entschied Saudi-Arabien, der Meinungsführer unter den Opec-Staaten, gegen eine Förderkürzung. Über die Beweggründe wird viel spekuliert. Im Vordergrund steht natürlich die Angst der Opec-Länder, Marktanteile zu verlieren. Oft wird in diesem Zusammenhang aber auch genannt, dass Saudi-Arabien, das sein konventionelles Öl viel billiger fördern kann, versuche, die amerikanischen Fracker aus dem Markt zu drängen.
Das mag zwar in Ansätzen gelungen sein. Doch laut Analysten hat sich - anders als bei konjunkturell bedingten Nachfragetiefs - die Situation auf dem Ölmarkt nachhaltig verändert. Kaum steigen die Ölpreise, werde auch die Schieferölproduktion rasch wieder anziehen. "Wenn der Ölpreis auf 55 bis 65 Dollar steigt, wird sofort eine neue Förderung in den hunderten US-Ölbohrlöchern anlaufen, die aktuell vorgebohrt werden", sagt der international tätige Energieberater Wolfgang Schollnberger zur "Wiener Zeitung". Diese Woche bereits erstaunte ein Anstieg in der Statistik der aktiven US-Bohrlöcher. "Das ist angesichts der sinkenden Ölpreise besonders überraschend", sagte der OCBC-Analyst gegenüber Reuters.
Immer mehr Marktbeobachter konstatieren, dass die Schieferölproduktion das Angebot dauerhaft erhöht. Dabei ist noch weitgehend unklar, wo auf der Welt es noch ähnliche Vorkommen gibt. BP-Experte Naumow verweist auch darauf, dass ständig Technologiesprünge gemacht werden, die es erlauben, die Produktivität der Schieferöl- und Gasförderung zu erhöhen.
Iran und China-Konjunkturals offene Einflussfaktoren
Laut Schollnberger würden mit einem leichten Anstieg der Ölpreise vom jetzigen Niveau aus aber auch hunderte momentan geschlossene Ölförderstätten außerhalb der USA wieder angeworfen. Dazu können auch Lagerstätten im Iran zählen, sagt der Energie-Experte, "vorausgesetzt, der Iran kann sich schnell mit internationalen Ölfirmen, die Risikokapital und die notwendige Technologie einbringen, auf akzeptable Bedingungen einigen". Nicht zuletzt müsse die Wirtschaftsentwicklung in China beachtet werden. Dort hat sich die Konjunktur zuletzt spürbar abgekühlt, was auch zu einer deutlich geringeren Rohstoffnachfrage geführt hat.
Insgesamt sieht Schollnberger den Ölpreis zwischen 45 und 65 Dollar pro Fass der Sorte WTI - für mindestens die nächsten vier Jahre. Somit dürfte es noch dauern, bis sich die Stimmung bei "Big Oil" wieder bessert.