Zum Hauptinhalt springen

Stimmungen entscheiden Wahlen

Von Walter Hämmerle

Politik

Lässt sich der Poker um Wahltermine tatsächlich in Wählerstimmen am Wahlsonntag ummünzen? Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" analysiert der Wahlkampfstratege und Kommunikationsberater Christian Scheucher die Vor- und Nachteile einer solchen Strategie und verweist auf das nach seiner Sicht wirklich Wesentliche.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für Scheucher sind die Versuche, Wahltermine nach parteipolitischen Überlegungen festzusetzen, eine Taktik, die die Bürger nicht schätzen. Wenn nicht handfeste Gründe für eine Vorziehung des Wahltermins sprechen - etwa eine wirkliche Krise oder ein unerwarteter Rücktritt -, sollte man davon absehen. Dem Wahlkampfprofi ist auch die enorme Ressourcenverschwendung, die aus der Argumentation einer Wahlvorverlegung resultiert, ein Dorn im Auge: "Die Offensivkräfte einer Wahlkampagne werden für eine defensive Rechtfertigungsargumentation verschwendet. Das kostet wertvolle Zeit und knappes Geld in der Intensivwahlkampfphase. In der Regel geht es dann auch daneben", so Scheucher.

Für viel entscheidender hält er demgegenüber die Konjunktursituation. Dabei gehe es allerdings nicht um prozentuelle Wachstumsraten, wie sie von den Wirtschaftsforschungsinstituten veröffentlicht werden. "Das einzige, was zählt, ist, was der Bürger in seiner Geldtasche, in seinem Lebensalltag spürt." "Pocketbook Issues", also "Geldbörserl-Themen" nennen die US-Amerikaner politische Themen, die auf die auch für den Einzelnen real spürbare Konjunktursituation ansprechen. Hier gehe es dann um gebrochene Wahlversprechen à la "Read my Lips - no new Taxes" von George Bush Sen. oder dem Gegenrezept Bill Clintons zur Strategie der außenpolitischen Profilierung seines Kontrahenten bei den Präsidentschaftswahlen 1992: "It's the Economy, Stupid!"

Nichts abgewinnen kann Scheucher dem "Irrglauben", dass Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahlen fein säuberlich aufeinander abgestimmt werden könnten. "Für die Leute besteht hier einfach kein direkter Zusammenhang." Natürlich versuche jede Opposition die jeweilige bundespolitische Frontstellung auf die unteren politischen Ebenen zu transferieren und auf diese Weise von einer gewissen Anti-Stimmung zu profitieren. Schließlich sei dies wesentlich einfacher, als beispielsweise ein Thema aus eigener Kraft positiv zu besetzen - vor allem bei allgemeinem Themenmangel. Dass so Wahlen gewonnen werden können, haben für Scheucher nicht zuletzt die Wiener Gemeinderatswahlen vom März 2001 gezeigt. Ein Positiv-Thema von unten nach oben zu transportieren, sei eben viel schwieriger, als ein Negativ-Thema von oben nach unten erfolgreich zu kampagnisieren.

Problematisch sieht Scheucher den derzeit feststellbaren Trend zum "permanenten Wahlkampf". Ständig probe eine Partei den Zwischenspurt, teste ihre Mobilisierungskraft, betreibe Agenda-Setting und exerziere den Kampagnen-Ernstfall. Die Flut an Volksbegehren jeder Art müsse aus strategischer Sicht aus einer solchen parteitaktischen Perspektive betrachtet werden. Eine solche Überschneidung von Themenkampagnen mit Wahlkampfzeiten beeinflusse daher sehr viel stärker den Wahlausgang als etwaige Terminfragen.

Eines ist für den Politprofi aber auch ganz klar: "Dort, wo gerade eben gewählt wurde, braucht die jeweilige Bundespartei gar nicht erst auf schlagkräftige Unterstützung für ihre eigene Kampagne hoffen." Das stelle insbesondere die Kampagnenleiter aller Parteien vor große Herausforderungen, weil dieser Verlust an Mobilisierungskraft irgendwie kompensiert werden muss.