Das Burgenlandkroatisch ist auf 20.000 bis 30.000 Sprecher geschrumpft.
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Wien. Die Brüder Lukas, Willi und Peter Resetarits, die Minister Nikolaus Berlakovich und Norbert Darabos, Fußballer Andreas Ivanschitz, TV-Moderatorin Barbara Karlich - sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind Burgenlandkroaten, ob aus Stinatz, Nebersdorf, Kroatisch Minihof, Baumgarten oder Trausdorf. Und sie waren wohl schon in der Kuga. Das ist die Kulturvereinigung beziehungsweise "KUlturna zadruGA" in Großwarasdorf/Veliki Boritof.
Das 1400-Einwohner-Dorf in unmittelbarer Nachbarschaft zum Franz-Liszt-Ort Raiding sei so etwas wie "der Nabel der kroatischen Welt im Burgenland", sagt Joko Vlasich. Hier sind 80 Prozent Kroaten. Im drei Kilometer entfernten Raiding sprechen alle Deutsch. In dem Gebiet des einstigen Deutsch-West-Ungarn reihen sich ab Großwarasdorf zehn kroatische Ortschaften im Bezirk aneinander wie auf einer Perlenkette. Arbeitsplätze sind in der wirtschaftlich strukturschwachen Gegend dünn gesät, viele wandern daher ab in die eine Autostunde entfernte Bundeshauptstadt.
Schleichender Exodus
Diesem schleichenden Exodus etwas entgegenzusetzen war eine Überlegung bei der Gründung der Kuga. Eine "ethnozentristische Sichtweise" wollte man aber von Anfang an vermeiden. Die Kuga möchte ein interkulturelles Zentrum sein, betont Joko Vlasich im Interview mit der "Wiener Zeitung". Im Zivilberuf Deutsch- und Russischlehrer an einem Gymnasium, ist er der Gründervater des Kulturzentrums. Wobei seine Rockband Bruji - oder The Brew, wie sie sich anfänglich nannte - Geburtshelfer war.
Die alte Dorfschule, in der die Gruppe ab den 1960er Jahren probte, gehörte der katholischen Kirche. "Wir gingen", erzählt Vlasich, "zum Pfarrer und sagten ihm, da könnten wir mehr daraus machen als einen Probenraum." Und der Pfarrer gab grünes Licht. Die Bevölkerung war allerdings skeptisch.
Die Zukunft der alten Schule sollte basisdemokratisch gestaltet werden, bei den Besprechungen wurde simultan übersetzt. Dass die Initiatoren die Kuga nicht nur am Kroatischen ausrichten wollten, brachte ihnen den Vorwurf ein, "germanisieren" zu wollen. Aber, erläutert Vlasich, "andere Kulturen lassen wir zu uns kommen". Seien es österreichische Kabarettisten, Roma- oder ungarische Musiker.
Vorbild Wiener Arena
Vorbild als alternatives Kulturzentrum war die in den 1970ern eröffnete Wiener Arena. Auch die Kuga wollte Platz schaffen für Kreatives und die Jugendarbeit fördern. 1982 wurde sie als Kulturgenossenschaft gegründet. Am Samstag feierte die Kuga ihren 30. Geburtstag mit einer "Croatisada", einer Art Leistungsschau in der Kuga-Galerie; mit dabei sind auch Österreichs bedeutendster Roma-Jazzmusiker, Harri Stojka, sowie die burgenlandkroatische Band Coffeeshock Company mit ihrem "Pannonischen Reggae-Stil", bei der es sich um einstige Schüler der Band Bruji handelt.
Vlasich kann sich auf die Fahnen heften, mit seiner Musikgruppe das Genre des "Krowodn-Rock" begründet zu haben. Das Schimpfwort "Krowodn" (Kroaten) hat Bruji einfach übernommen und in die Texte eingebaut. In ihren Liedern "Gemma Krowodn schaun" und "Nema Problema" aus den 1980ern singen sie über den respektlosen Umgang mit der Minderheit der Burgenlandkroaten und kritisieren die Assimilierungspolitik in Österreich. 1986 traten sie beim Weltjugendfestival in Moskau gemeinsam mit Austro-Popsänger Wilfried auf. Vlasich traute damals seinen Ohren nicht, als er Michail Gorbatschow über "Glasnost" (Offenheit) und "Perestroika" (Umstrukturierung) reden hörte.
Die politische Band distanziert sich von burgenlandkroatischer Folklore und Tamburica-Spielern, die "die Sprache nicht mehr beherrschen", so Vlasich. Als bisher einzige burgenlandkroatische Musikgruppe schafften es Bruji aber 1989 mit "Sviraj brate, Tambure", einem Liebeslied auf die Tamburica (eine slawische Mandolinen-Art), in die Ö3-Hitparade.
Der mittlerweile 62-jährige Leadsänger Vlasich und seine Band bringen im Dezember ihre neue CD "Bruji live" heraus (Präsentation am 17. Dezember im Chelsea, Lerchenfelder Gürtel, U-Bahnbögen 29-30, 1080 Wien).
Verlust der Sprache droht
Den Verlust des Burgenlandkroatischen, das auch deutsche Lehnwörter enthält, besangen Bruji in "Nema problema" vor mehr als drei Jahrzehnten: "In 50 Jahren löst sich das Problem von selbst." Besorgt darüber ist jedoch auch die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco). Die Sprache zählt zu den am meisten bedrohten in Europa, laut Unesco droht der Verlust der kroatischen Minderheitensprache und -kultur. Diese ist seit mehr als 450 Jahren im heutigen Ostösterreich sowie in Tschechien, der Slowakei und Ungarn beheimatet: Während der Türken-Kriege flüchteten viele Kroaten, rund 100.000 siedelten sich im heutigen Burgenland an.
20.000 bis 30.000 Burgenländer und Wiener bekennen sich heute als Kroaten. Im Unterschied zur kroatischen Standardsprache ist das Burgenlandkroatisch hinsichtlich Grammatik und Vokabular im 16. Jahrhundert stehengeblieben. Für Dinge, die damals nicht existierten, bedient es sich heute der deutschen Bezeichnung, wie zum Beispiel bei der Waschmaschine oder dem Mähdrescher.
Dabei habe auch die Kuga nicht viel geholfen, merkt Vlasich selbstkritisch an. Auch habe man die Integration der nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens zugezogenen kroatischen Flüchtlinge versäumt.
"Splittergruppe" in Wien
Das Burgenländisch-Kroatische Zentrum in der Schwindgasse in Wien-Wieden hat zwar auch Kontakte zu den "kroatischen Kroaten". Das "8. Festival der kroatischen Musik in Wien" etwa läuft noch bis 6. Dezember. Die jüngeren kroatischen Flüchtlinge hätten sich jedoch assimiliert, meint Vlasich. "Vielleicht ist einer der Gründe, dass wir nicht auf sie zugegangen sind. Sie sind nicht wirklich mit offenen Armen aufgenommen worden."