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Stirbt der Mensch aus?

Von Eva Stanzl

Wissen

Frank Fenner: Menschliche Aktivität ruiniert Klima wie Kometeneinschlag. | Kritik von anderen Wissenschaftern. | Melbourne/Wien. Die Tage der Menschheit sind gezählt. Zumindest, wenn der australische Mikrobiologe Frank Fenner recht behält. "Homo sapiens wird aussterben, vielleicht innerhalb von 100 Jahren", prognostiziert er in der Zeitung "The Australian".


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Der 95-jährige Fenner hat in Australien den Status eines Nationalhelden. Mit Hilfe des Myxoma-Virus gelang es ihm in den 1950er Jahren, die damalige Kaninchenplage auf dem fünften Kontinent in den Griff zu bekommen. In den 1960er Jahren war er führend an der Ausrottung der Pocken beteiligt. Heute setzt sich der Gründer der Fenner School of Environment and Society in Canberra für den Klimaschutz und für einen nachhaltigen Lebensstil der Weltbevölkerung ein.

Fenner kommt zu dem düsteren Schluss, dass sich die Menschheit binnen drei Generationen quasi selbst ausrotten werde. Die Gründe seien "Bevölkerungsexplosion und unkontrollierter Konsum". Zwar werde etwas gegen den Klimawandel unternommen, zu viel würde jedoch auf die lange Bank geschoben. Das "Anthropozän" - das Zeitalter, in dem menschliche Aktivität das Klima beeinflusst - sei vergleichbar mit globalen Katastrophen wie Eiszeiten oder Kometeneinschlägen. Der Menschheit drohe dasselbe Schicksal wie seinerzeit den Bewohnern der Osterinseln, warnt Fenner. Die Eingeborenen hatten durch die rücksichtslose Abholzung der Wälder ihre einst blühende Insel in eine Ödnis verwandelt.

Ein realistisches Szenario? Nur teilweise, findet Nick Barton, Professor für Evolutionbiologie am Institute of Technology in Maria Gugging. Er sieht keine Gefahren für die gesamte Menschheit, aber Gefahren für Zivilisationen. "Das Alarmierende ist, dass der technologische Wandel - und damit der Einfluss der Menschen auf das Klima - weitaus schneller stattfindet als die Evolution. Das war noch nie da und es ist unmöglich, die Folgen abzuschätzen", sagt Barton. Er fügt hinzu: "Kaum eine Zivilisation hat je mehr als ein paar 1000 Jahre überlebt und viele sind daran zu Grunde gegangen, dass sie ihre Umwelt übermäßig ausgebeutet haben."

"Chaos-Theorie"

Andreas Baumüller, Vorsitzender des European Habitats Forum für Artenschutz in Brüssel, ortet Schwachstellen im System der Biodiversität. "Der ökologische Fußabdruck der Menschen ist größer, als die Umwelt verarbeiten kann", sagt er. Kippen Teile im Ökosystem, können Arten aussterben - womöglich mit katastrophalen Folgen. "Gäbe es etwa keine Regenwürmer mehr, würden weniger Pflanzen wachsen, weil der Boden zu hart wäre. Damit findet weniger Photosynthese statt und gibt es weniger Sauerstoff" - ein Kippeffekt.

Wann genau der Punkt erreicht sein wird, an dem die Auswirkungen der menschlichen Aktivität irreversibel sein werden und sich multiplizieren, weiß kaum jemand. "Es gibt unterschiedliche Berechnungen", erklärt Stephan Singer vom World Wildlife Fund Europa. Er hält "Chaos-Prognosen" wie die von Fenner aber für "zynisch. Es wird immer einen Kern der Menschheit geben, der die Technik hat, zu überleben", sagt Singer.