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Deutsch ist immer noch eine der großen Kultursprachen; die meistgesprochene in der Europäischen Union und nach Englisch und Spanisch die meistgelernte Fremdsprache der Welt. Bis heute werden in keine andere Sprache so viele Bücher übersetzt wie in die deutsche.
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Aber: Die Zahl der deutschen Muttersprachler sinkt. Auch die Zahl der deutschen Fremdsprachler ist in den vergangenen Jahren um zwei Drittel zurückgegangen. Deutsch wird von der UNO nicht als Amtssprache, geschweige denn als Arbeitssprache anerkannt. Zirka 50 Prozent englischsprachigen Web-Sites stehen 8 Prozent deutschsprachige gegenüber. Die Rolle als Wissenschaftssprache hat das Deutsche längst an das Englische abgeben müssen. Die Zahl der Anglizismen - vor allem in der Werbe-, Wirtschafts- und Finanz- sowie Computerwelt - hat Ausmaße angenommen, die das Deutsche nicht mehr integrieren kann. Haben wir einen Text "downloaded" oder "downgeloaded"? Haben wir uns eine "SMS" (= Short Message Service) oder ein "SMS" geschickt oder haben wir gesmst? Heißt es "die e-Mail" oder "das e-Mail"?
Wie tief diese sprachliche Verirrung greift, zeigt ein Interview mit Deutschlands prominenter Modedesignerin, Jil Sander: "Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils."
Gewiss, die Globalisierung verlangt von uns allen Flexibilität, nicht zuletzt sprachliche. Aber verlangt sie denn auch die Aufgabe der eigenen (Sprach-)Identität? Nein - wir wollen keine Sprachstürmerei! Aber wir wollen sie eben in keiner Richtung.
Dabei ist leider gerade das Deutsche zahlreichen Erosionen ausgesetzt. Unsere von Medien geprägte Sprache wird immer kurzatmiger, modischer, ausdrucksärmer. Die Rechtschreibung hat zu einer formalen Promiskuität und zu einer verwahrlosten Stilistik beigetragen. (Manche "Busse" mögen ja unbequem sein, aber dass man sie gleich zur Bestrafung von Missetätern einsetzt, scheint mir eher auf die babylonische Rechtschreibverwirrung zurückzuführen zu sein.)
Das von jugendlichen "Minderheiten mit Migrationshintergrund" gelallte "Kanak" verbreitet sich virenartig in der Welt der Pubertierenden, denen damit der Zugang zu höherer Sprachkompetenz oder gar -eleganz verbaut wird. Und nicht zuletzt werden Spachprimitivismus und Stammelei zum "Kult" stilisiert - Verona Pooths "da werden sie geholfen" - die "Slatkoisierung unserer Sprache".
Welcher Verlust ein Sterben des Deutschen bedeuten würde, sollen die Worte des argentinischen Dichters Jorge Luis Borges, eines Bewunderers unserer Muttersprache, zeigen: "Meine Nächte sind angefüllt: / Mit Hölderlin und Angelus Silesius. / Heine gab mir seine Nachtigallenpracht; / Goethe die Schickung einer späten Liebe, / gelassen sowohl wie bereichernd; / Keller die Rose, gelegt von der Hand / In die eines Toten, der die Blume liebte / Und der nie wissen wird, ob sie weiß oder rot ist. / Du, Sprache Deutschlands, bist Dein Hauptwerk; / Die verschränkte Liebe der Wortverbindungen, / die offenen Vokale, die Klänge / angemessen dem griechischen Hexameter, / und Deine Wald- und Nachtgeräusche."