"Tuan S mi net pflonzn", spricht Frau Braumille und wendet sich wieder den unzähligen Pflanzen in ihrem - naja - naturbelassenen Garten zu.
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Nein, beteuern die Nachbarn in der Kleingartensiedlung am Grazer Stadtrand, sie hätten mit Sicherheit kein Schneckenkorn in Braumilles Garten gestreut und auch kein Unkraut vergiftet - das würden sie selbst ihrem eigenen Grün niemals antun. Der millimeterkurz geschorene Rasen der Nachbarn, auf dem jedes auch noch so verwegene Gänseblümchen chancenlos scheint, lässt Gegenteiliges vermuten.
Die Querelen in der brillanten ATV-Reportage "Krieg im Kleingartenverein" werden derart lebensnah und berührend vermittelt, dass sie fast einem Revival der Kultserie "Alltagsgeschichten" von Elizabeth T. Spira (1985 bis 2006 im ORF) gleichkommen. Gewährt sie doch Einblick in die österreichische Seele und das faszinierende Wechselspiel aus Komik und Tragik - wie schon bei Spiras Tröpferlbad-Benutzern, Wellensittich-Haltern oder Würstelstand-Besuchern. Freilich fehlen in der ATV-Reportage auch die fürsorglichen Gartenzwergbesitzerinnen ("177 Gartenzwerge, die zählen auch zu meinem Freundeskreis") und neurotischen Blumenpflanzer ("Dort, wo die Purpurglöckchen leuchten, dort ist mein Paradies") nicht. Allein die Tatsache, dass diesen schon Spira 1992 in "Das kleine Glück im Schrebergarten" über den Zaun und somit in die Seele blickte, wirft ihre Schatten auf die Reportage voraus, der dadurch der Fluch des billigen Abklatsches droht. Damit würde man allerdings jeden Kleingärtner entwürdigen, der durch sein selbst geschaffenes grünes Paradies dem eigenen Ich einen Fingerabdruck verleiht und so vermutlich ewig Stoff für gute Reportagen gibt.