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Stoiber setzt Angela Merkel unter Zugzwang

Von Susann Kreutzmann, AP

Politik

Vor der Hamburg-Wahl sollte sich gar nichts tun, zumindest nicht nach außen. So lautete die offizielle Sprachregelung von Unionsparteien und FDP für die heikle Suche nach dem nächsten deutschen Bundespräsidenten. Jetzt hat sich CSU-Chef Edmund Stoiber in der hochbrisanten "Operation Bellevue" als Erster aus der Deckung gewagt. Sein klarer Favorit ist Wolfgang Schäuble, der frühere CDU-Chef, legte sich Bayerns Regierungschef im "stern" fest.


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Damit bringt Stoiber vor allem die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in Zugzwang. Einen deutlichen Warnschuss, den Bogen nicht zu überspannen, entsandte der CSU-Chef auch an die FDP.

"Wolfgang Schäuble zum Beispiel hat unbestritten höchstes Format" preist Stoiber den ehemaligen CDU-Vorsitzenden und vertritt damit erstmals die Position seiner ganzen Partei. Nur mit der Union habe die FDP 2006 eine Chance auf Rückkehr in die Bundesregierung, gibt er zu Bedenken. Schwarz-Gelb sei aber schließlich nicht die einzige Konstellation, lässt Stoiber die Liberalen wissen. Grundsätzlich kann sich die Union nämlich auch Koalitionen mit den Grünen auf Länderebene vorstellen.

Als kürzlich das Meinungsforschungsinstitut "infratest" im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" fragte, wer deutscher Bundespräsident werden soll, wollten 32 Prozent der Befragten Schäuble als Nachfolger des Sozialdemokraten Johannes Rau sehen, unter den CDU-Anhängern sind es sogar 48 Prozent. Die Kompetenz des 61-Jährigen ist in der Union unbetritten. Offen ist allerdings, ob sich Schäuble in der Bundesversammlung durchsetzen kann. Dort ist die Union auf die Stimmen der Liberalen angewiesen. FDP-Chef Guido Westerwelle, der sich in Sachen Bundespräsident gern als Königsmacher sieht, ließ schon durchblicken, dass Schäuble nicht auf alle FDP-Stimmen hoffen könne.

Doch aus München bläst der Wind eisig. Mit deutlichen Worten warnte Stoiber die Liberalen vor Alleingängen. Wenn die FDP die ehemalige Ausländerbeauftragte der Kohl-Regierung Cornelia Schmalz-Jacobsen als Kandidatin aufstelle, werde sich "die Zukunft der Partei erheblich verdüstern", prognostiziert der CSU-Chef.

Auf Platz 2 im "Spiegel"-Kandidatenranking folgt immerhin der ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer. Dem derzeitigen Direktor des UN-Umweltprogramms sagten die Grünen überraschenderweise ihre Unterstützung zu. Doch fehlt Töpfer, der seit 1998 in Nairobi lebt, die Geschlossenheit einer Hausmacht im Kandidatenpoker. Sollte Merkel Töpfer nominieren, sind die Stimmen der Liberalen nicht notwendig. Aber dann müsste die CDU-Chefin die Verärgerung des potenziellen Koalitionspartners und vor allem der CSU einkalkulieren.

Auch für einen eigenen FDP-Kandidaten spricht einiges. Da beispielsweise drängt FDP-Fraktionschef und Ex-Parteivorsitzender Wolfgang Gerhardt ins Rampenlicht. Gerhardt, der gern Außenminister in einer christlich-liberalen Koalition geworden wäre, gilt als Konservativ-Liberaler. Doch die Chancen, als von Union und FDP gemeinsam getragener, und damit aussichtsreicher Kandidat anzutreten, sind gleich Null.

Auf Sympathien bei den Grünen und der SPD kann dagegen die FDP-Politikerin Schmalz-Jacobsen hoffen. Die 69-Jährige gilt als politisch erfahren, engagiert und steht für ein tolerantes Gesellschaftsbild. Sie zog sich 1999 ganz aus der Parteipolitik zurück und wirkt seitdem als Leiterin des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie in Tutzing am Starnberger See. Das Verhältnis zum jetzigen Parteichef Westerwelle gilt als schwierig.

Viele in der CDU warten darauf, dass Merkel noch einen Kandidaten aus dem Hut zaubert. Es müsste eine Persönlichkeit sein, die noch nicht durch die Medien gezerrt und damit "verbrannt" ist. Genannt werden die Namen des ehemaligen thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und des baden-württembergischen Landeschefs Erwin Teufel.