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Stoiber solidarisch mit Chirac

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

Paris/Brüssel - Die geplante EU-Agrarreform lässt neue Allianzen entstehen. Die Vorschläge von EU-Kommissar Franz Fischler zur Umstrukturierung der Landwirtschaftsförderungen sorgen für Aufruhr, die Ablehnung unter den Mitgliedstaaten, allen voran Frankreich, überwiegt. In Deutschland jedoch wird das Konzept als zukunftsweisend gelobt. Dies konterkariert der deutsche Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, indem er sich mit der französischen Position solidarisiert.


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In Sachen Agrarförderungen, sie machen rund 50 Prozent des EU-Budgets aus, ist ein Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich entbrannt. Deutschland signalisierte als größter Netto-Zahler für Teile der Fischler-Reform Gesprächsbereitschaft und bedingte Unterstützung.

Landwirtschaftsministerin Renate Künast meinte, eine Reduktion der Direktzahlungen sei ebenso die Idee Deutschlands, zustimmen wolle sie dem vorliegenden Entwurf trotzdem nicht. Sie vermisst einen ambitionierten Sparwillen - vor allem bei neuen Aufgaben: Die Richtung stimme, die Rechnung müsse aber ebenso stimmen. Das heißt, Deutschland will künftig weniger in den Unions-Haushaltstopf einzahlen und setzt schon im Vorfeld der EU-Erweiterung massiv auf entlastende Strukturreformen. Anders dagegen ist die Position Frankreichs, hier müßte man nämlich nach dem Umbau als größter Profiteur kräftige Einbußen hinnehmen. Präsident Jaques Chirac hat sich deshalb öffentlich hinter die Interessen seiner Großbauern gestellt und die derzeitigen Strukturen verteidigt. Er lehnte es ab, die milliardenschweren Beihilfen von der Produktion abzukoppeln.

Kanzlerwerber Edmund Stoiber (CDU) nutzte just seinen zweitägigen Frankreichbesuch, der gestern zu Ende ging, um sich auf die Seite der Franzosen zu schlagen: Es mache keinen Sinn, die Agrarreform mit der EU-Erweiterung zu verknüpfen. Damit war ihm der Beifall französischer Regierungsmitglieder sicher. Stoiber, der sich im September der Kanzlerwahl stellt, braucht auch außenpolitisches Profil. Er glaubt durch den Solidaritätsakt eine neue Allianz mit Frankreich schaffen zu können. Der bayrische Ministerpräsident fordert sogar, dass sich Deutsche und Franzosen bei schwierigen Themen besser abstimmen sollten. In Sachen Agrarpolitik könnten gemeinsame Arbeitsgruppen vorab nach Lösungen suchen. Zum Annäherungsversuch des deutschen Gastes ging Chirac diplomatisch auf Distanz. Er zeigte während der 90-Minuten-Audienz plötzlich Verständnis für die Forderungen Deutschlands, bei den Agrarbeihilfen entlastet zu werden. Stoiber wurde jedoch für sein "Engangement" mit dem Orden eines Kommandanten der Ehrenlegion ausgezeichnet.

Franz Fischler, der durch sein gewagtes Reformkonzept die hitzigen Debatten auslöste, nimmt die Ablehnung gelassen: "Ich sehe zuerst etwas Gemeinsames, nämlich, dass alle Länder bereit sind, auf Basis der Kommissionsvorschläge zu verhandeln."