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Stolpern im komplizierten US-Steuersystem: Obama bleibt integer, aber nicht unbeschädigt

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Der Betrag war lächerlich gering. Nancy Killefer hatte 298 Dollar Steuerabgaben für ein Kindermädchen nicht abgeführt, die Strafe, die ihr 2005 vom Finanzamt aufgebrummt wurde, waren weniger als 1000 Dollar. Aber Killefer sollte als Sonderbeauftragte Barack Obamas die Budgetdisziplin der US-Behörden überprüfen - ihre nicht einwandfreie Steuermoral ließ sie davon Abstand nehmen. | Auch die nun ins Gerede gekommenen 6000 Dollar, die der Ehemann der designierten Arbeitsministerin seit Jahren nicht bezahlt hatte, sind wenig im Vergleich zu den 140.000 Dollar Steuerschulden, die bei Tom Daschle aufgelaufen waren. Als diese von den Medien und der Republikanischen Partei zum Thema gemacht wurden, erklärte der Ex-Senator, den Posten des Gesundheitsministers nicht antreten zu wollen.


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Vor allem in diesem Fall erschien den Kommentatoren die Entschuldigung, der Fehler sei "nicht absichtlich" gemacht worden, wenig glaubhaft. Gleichwohl wurde die Kompliziertheit des amerikanischen Steuersystems angeprangert.

US-Staatsbürger sind mit ihrem gesamten weltweiten Einkommen steuerpflichtig und müssen dieses und die entsprechende Steuerbelastung selbst berechnen. Das wird dadurch erschwert, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Bundesstaaten und die Gemeinden selbständig eigene Steuern erlassen können. Die Steuerbelastung wird durch Freibeträge und abzugsfähige Ausgaben gemindert. 67.500 Seiten umfasst das Regelwerk allein zur Einkommenssteuer.

Dennoch finden es laut einer Umfrage 89 Prozent der US-Bürger "völlig inakzeptabel", es mit der Steuer nicht genau zu nehmen. Dessen waren sich die Demokraten bei der Nominierung für Regierungsämter bewusst, denn die potenziellen Kandidaten mussten vorab Fragebögen ausfüllen - und unter den 63 Fragen waren auch solche zu Steuervergehen. Einige der Steuersünden waren also schon vor der Nominierung bekannt, wurden aber als unwichtiger betrachtet als die zweifellos vorhandene Qualifikation der Bewerber.

Allerdings, wandten die Kritiker ein, müssten gerade diejenigen, die Verantwortung für das Budget des Staates tragen, auch ihr eigenes in Ordnung halten können. Und sollten nicht gerade die Demokraten, die die Rolle des Staates stärken wollen, ihrer Regierung gerne ihr Steuergeld dafür in die Hand geben?

Dass er die Dynamik dieser Diskussion unterschätzt hatte, musste Barack Obama schließlich auch offiziell zugeben. Seinem "Change"-

Slogan drohte moralischer Schaden durch die Sünden alten Stils. Der Medienprofi übernahm allerdings die Verantwortung und wusste damit die Andersartigkeit seiner Politik darzustellen - gegenüber jener von Vorgänger George W. Bush, dem selbst gegen Ende seiner desaströsen Amtszeit kaum Fehlereingeständnisse über die Lippen kamen.

Die Zustimmung der meisten US-Amerikaner ist Obama damit wohl weiterhin sicher. Schwerer dürfte ihm zu schaffen machen, dass einige wichtige Stützen seiner Reformvorhaben nicht in der Regierung sein werden.