Grünen-Vizechefin Eva Glawischnig im "WZ"-Interview. | "Klimaschutz wird nach wie vor zweitrangig behandelt". | "Wiener Zeitung":Sie waren die Frontfrau der Grünen, stehen aber jetzt mit ihrer neuen Aufgabe als Dritte Nationalratspräsidentin parteipolitisch etwas im Abseits.
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Eva Glawischnig: Für mich ist mein neues Amt kein Rückzugsgebiet. Im Gegenteil: Umweltpolitik, Frauengleichstellung, Menschenrechte - das sind die Anliegen, die mir in beiden Rollen, sowohl als Nationalratspräsidentin als auch als Vizechefin der Grünen, am Herzen liegen. Ich bemühe mich aber, beide Aktivitäten zu trennen.
Sehen Sie sich als Nachfolgerin Van der Bellens?
Ich sehe mich in erster Linie als seine Mitstreiterin und wünsche mir, nachdem nach der Pensionsreform ja alle länger arbeiten müssen, dass auch er lange arbeitet.
Sie haben einmal gesagt, dass die Grünen nicht um jeden Preis regieren sollten. Ihre Wähler brauchen einen langen Atem. Wo sehen Sie die Grünen in vier Jahren?
Unsere Konzepte und Ideen liegen parat. Jetzt werden wir aber einmal vier Jahre lang knallharte Oppositionspolitik machen. Wenn es überhaupt vier Jahre sein werden.
Sie denken an Neuwahlen?
Es ist nicht auszuschließen. Die ÖVP ist in einer Fundamentalopposition. Sie will mit demselben Programm weiterregieren, mit dem sie die Wahl verloren hat. Das könnte Ausgangsbasis für vorgezogene Wahlen sein. Schüssel ist ja berühmt für diese Pokerspiele, vielleicht macht er es auch diesmal so. Die Regierung hat einen schlechten Start hingelegt: Stolpern, streiten, scheitern.
Was läuft in der österreichischen Umweltpolitik derzeit schief?
Was mich aufregt, ist das Auseinanderklaffen von Worten und Taten. Umweltminister Josef Pröll tut so, als wäre ihm der Klimaschutz wichtig. Wenn man allerdings an der Oberfläche kratzt, kommt Halbherzigkeit zum Vorschein. Pröll ist einer der durchsetzungsschwächsten Politiker. Er hat eine Vergangenheit als Umweltminister und hat nichts zustande gebracht. Mit dem jetzigen Rüstzeug wird ihm auch diesmal nichts gelingen. Klimaschutz wird von der Regierung nach wie vor zweitrangig behandelt.
Die ÖVP rühmt sich damit, Ihr Umweltprogramm 1:1 übernommen zu haben.
Ich denke, Pröll hat unser Programm gelesen und weiß, dass das ein umfassendes Wirtschafts-, Arbeits- und Umweltprogramm ist, wo die Bereiche Heizen, Strom und Mobilität in Zukunft völlig anders organisiert werden sollen. Was die ÖVP macht, ist Kosmetik. Wenn sie im Wahlkampf noch sagt, sie will eine halbe Million Haushalte auf erneuerbare Energie umstellen und im Regierungsprogramm sind es dann nur noch 100.000, dann frage ich mich, wer hat da wen hinunterverhandelt. Wir haben eine Million Haushalte, die mit Öl heizen und die in den nächsten Jahren ein Problem kriegen werden.
Die Regierung will den Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung bis 2010 auf 80 Prozent erhöhen. Ist das realistisch?
Wenn der Umweltminister das schafft, dann mache ich einen dreifachen Salto aus dem Stand. Das ist absolut lächerlich vor dem Hintergrund, dass der Anteil an erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung gesunken ist. Wir sind jetzt bei 57 Prozent. Vor allem wurde das wichtigste Element dazu, das Ökostromgesetz, zerschlagen.
Auch die Sozialpartner haben sich für die Novelle des Ökostromgesetzes stark gemacht, um die Strompreise niedrig zu halten.
Jeder Haushalt müsste für ein wirklich ambitioniertes Ökostromgesetz lediglich 20 Euro im Jahr mehr zahlen. Das ist verkraftbar. Vor allem, wenn man die Energieeffizienz einbezieht. Es wäre locker möglich, in den Haushalten 20 Prozent an Kosten einzusparen. Das wären mindestens 100 Euro pro Jahr. Dass der Ökostrom schuld daran sein soll, dass der Strom teurer wird, ist ein Märchen. Der Widerstand ging von der Papierindustrie aus, die mit den Bereichen Holz, Pellets, Biowärme Konkurrenten bekommen hat. Das Monopol der Papierindustrie auf Holz existiert nun nicht mehr.
I ch kenne nicht viele, die wissen, wie sie Strom sparen könnten.
Deshalb wäre eine Energiesparberatung für jeden Haushalt wichtig. Stromfresser Nummer eins sind die Beleuchtung und der Kühlschrank. Auch sollte man die Geräte nicht auf Standby lassen. Das könnte Pröll, wenn er das ernst angehen will, jederzeit machen.
Sie haben Pröll vorgeworfen, dass sogar die USA jetzt an Klimaschutzmaßnahmen denkt. Ein Beispiel: Für Biotreibstoff importiert die USA Mais und Kokosöl aus Lateinamerika, mit den Folgen, dass das aus Mais gemachte Fladenbrot für die Armen nicht mehr leistbar wird und riesige Kokospalmenplantagen den Urwald vernichten.
Gut gemeint ist oft das Gegenteil von Gut. Wenn die Amerikaner jetzt anfangen, Öl durch Biotreibstoffe zu ersetzen, dann wird irgendwann einmal die gesamte Welternährungsproduktion in Autotanks verfahren. Die Amerikaner müssten vielmehr auf Eins-, Zwei-, Dreistatt 15-Liter-Autos setzen.
Die EU will die CO2-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent senken. Wird das gelingen?
Österreich urgiert gegen dieses Ziel auf europäischer Ebene. Das ist nachweisbar. Wirtschaftsminister Bartenstein ist gegen ein verbindliches Klimaziel nach Kyoto, weil er Wettbewerbsnachteile für die EU-Wirtschaft befürchtet. Das ist eine echte Sauerei. Anfang März beim EU-Rat wird das Energiepaket verabschiedet, wenn Österreich nicht weiter Sand ins Getriebe streut. Die Deutschen sind dafür, die Dänen sind dafür. Österreich ist dagegen. Das ist ein Skandal.
Beim Euratom-Vertrag sind sie mit Pröll auf einer Linie. Er gehört reformiert?
Ja. Aber auch hier gibt es eine Diskrepanz zwischen Taten und Worten. Pröll müsste mehr Verbündete holen. Gehrer stimmte letztes Jahr dem neuen Atomforschungsprogramm zu. Mit diesem Geld wird nun an neuen Atomreaktoren geforscht.