Der konservative Parteichef kämpft mit innerparteilichem Widerstand.
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Das Spiel wiederholt sich bei jedem britischen Regierungschef seit dem Brexit-Votum: Das ungelöste Nordirland-Problem wirft innerparteiliche Hürden auf, die schlussendlich zum Ende der jeweiligen Ära führen. Dies droht auch dem aktuellen Premier Rishi Sunak.
Im Oktober kam er nicht gerade als Hoffnungsträger an die Spitze der Konservativen. Im Sommer hatte er eine Mitgliederbefragung gegen Liz Truss verloren. Ihr folgte er dann nur nach, weil diesmal die Mitglieder nicht befragt wurden und viele Tories endlich ein Ende der Debatte um den Parteivorsitz ersehnten.
Die Hoffnung währte nur kurz: In Umfragen liegen die Tories 20 Prozent hinter Labour. Würde heute gewählt, wären sie nur die viertgrößte Fraktion hinter Labour, den Liberalen und den schottischen Nationalisten.
Sunak zeigt bisher keine Initiative, um die großen Probleme - Teuerungswelle und Separatismus - zu lösen. Just im einzigen Bereich, den er angeht, könnte er nun fallen: bei den Verhandlungen mit der EU um den Sonderstatus für Nordirland.
Seit Jahresbeginn wird wieder zwischen London und Brüssel verhandelt. Eine Lösung soll vorliegen: nur Kontrollen in der Irischen See für Waren, die von Großbritannien über Nordirland weiter in die EU eingeführt werden, aber nicht mehr für Waren, die in Nordirland bleiben. Und keine Zuständigkeit der EU-Gerichtshöfe für Nordirland, dafür lässt die Regierung in London jene Pläne fallen, wonach sie einseitig Teile des Brexit-Vertrags außer Kraft setzen könnte.
Der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) geht selbst dies zu weit. Seit einem Jahr boykottiert sie die Regierungsarbeit in Belfast und will erst zurückkehren, wenn es gar keine Sonderregelung für die Provinz mehr gibt. Wie ernst es ihnen dabei ist, erklärte der DUP-Abgeordnete Sammy Wilson am Mittwoch in Westminster: "Menschen sind dafür gestorben, dass Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs ist."
Die DUP wird von der rechtskonservativen, europafeindlichen Tories-Gruppierung European Research Group unterstützt. Dies wirft größere Probleme für Sunak auf als die Zukunft der nordirischen Regierung. Laut Beobachtern sollen 100 Konservative gegen das Abkommen stimmen wollen. Auch von Ministerrücktritten ist die Rede. Sunak könnte mit Hilfe von Labour das Abkommen durch das Unterhaus bringen. Sich gegen eine derart große innerparteiliche Opposition zu stellen, würde aber sein Ende als Parteichef einläuten.
Im Mai stehen Regionalwahlen an, die die Tories wohl verlieren werden. Das für innerparteiliche Angelegenheiten zuständige 1922-Komitee arbeitet bereits an einer Statutenänderung, die ein Misstrauensvotum gegen Sunak möglich machen würde. Denn derzeit kann ein solches nur nach einem Jahr im Amt eingebracht werden.
Es wird immer wahrscheinlicher, dass Sunak wie seine Vorgängerin Truss nicht ein Jahr im Amt schafft: Denn wie seine Vorgängerinnen und Vorgänger - mit Ausnahme von Truss, die zu kurz im Amt war, um sich dem widmen zu können - könnte auch er über Nordirland stolpern. Möglich, dass ab Mai die Tories ihren vierten Vorsitzenden in zwölf Monaten zu suchen beginnen.
Am 1. März hält Dieter Reinisch um 18.30 Uhr in der Akademie am Dom (1010 Wien, Stephansplatz 3) einen Vortrag: "Konfliktreicher Frieden - Wie weiter in Nordirland?" Info und Anmeldung unter www.theologischekurse.at