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#stolzdrauf – Pro und Kontra

Von Ivana Cucujkic-Panic/ Eva Zelechowski

Politik

Integrationsminister Kurz startete eine Kampagne, die für Diskussionen sorgte.


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Integrationsminister Sebastian Kurz hat alte und neue Österreicher aufgerufen, in den sozialen Medien unter dem Hashtag #stolzdrauf zu erzählen, was sie an Österreich lieben. Die Aktion weckt aber nicht bei allen warme Heimatgefühle.

Pro von Ivana Cucujkic-Panic

Und worum es eigentlich geht: Als ich 2012 gefragt wurde, ob ich als Integrationsbotschafterin für das Projekt "Zusamen:Österreich" mitmachen wolle, war ich zurückhaltend begeistert und dachte: "Das schau‘ ich mir erst mal an". Also saß ich recht skeptisch bei meinem ersten Einsatz als "Vorbildmigrantin" in einer Vienna Business School vor hochpubertierenden, unkonzentrierten 15-Jährigen. Die anderen zwei Integrationsbotschafter und ich erzählten unsere Migrationsgeschichte oder die unserer Eltern, was wir beruflich taten und wie wir es dazu brachten. Wir performten unsere Lebensläufe.
Nun. Es waren die lustigsten und bereicherndsten zwei Stunden, die ich bei einer Diskussionsveranstaltung erlebte. Unvoreingenommene, neugierige, interessierte Mädls und Jungs – ja, mit und ohne Hintergrund –, die auf mich zukamen und tatsächlich sagten: "Voll leiwand, was Sie da tun. Ich will das auch schaffen." Mir dämmerte, da funktioniert etwas, da bewegt sich etwas. Ich werde als Vorbild wahrgenommen! Deswegen macht es für mich Sinn, bei so einem Projekt dabei zu sein. So wie andere Medienschaffende, Unternehmer, Zahnarztassistenten oder Vertreter von Berufsgruppen jenseits des Starfußballers oder der TV-Moderatorin, die sich vor Schulklassen, Dorf-Vereine oder Pfadfindergruppen stellen und manchmal auch echt harte Fragen beantworten wie: "Na, und Ihre Eltern, die können sicher kein Deutsch?" "Ja, aber Ihr Vater ist sicher sehr patriarchalisch."

Dieser Austausch ist gut und wichtig. Er bringt letztlich auch mich mit Menschen zusammen, die ich in meinem Umfeld nicht täglich antreffe. Wenn Projekte wie dieses so einen Austausch und zwei Stunden des nachhaltigen Miteinanders schaffen, dann kann man echt stolz darauf sein. Oder halt, es leiwand, supertoll, wunderbar finden. Warum? Weil es von Menschen getragen wird, deren Anliegen in der Integrationsdebatte ehrlich und authentisch ist. Weil sie es in ihrer Freizeit tun. Und darum geht es eigentlich. Die aktuelle, sehr undifferenzierte Auseinandersetzung wird diesen Leuten letztlich nicht gerecht

Kontra von Eva Zelechowski

Die Integrationskampagne #stolzdrauf ist nicht nur eine Geschichte voller Probleme, sondern auch so mancher Missverständnisse. Für viele ist nicht nachvollziehbar, wie sich Stolz mit dem schönen Österreich verbinden lässt. Kann ich etwa stolz auf Wien sein? Obwohl mir die Stadt mitsamt ihren Ecken, Kanten und Grantlern sehr ans Herz gewachsen ist, habe ich nichts dazu beigetragen. Ist Stolz nicht auf die persönlich erbrachte Leistung bezogen? Stolz auf die eigenen braunen Augen? Höchstens aufs eigens erarbeitete Bierwamperl.

Auch die Idee, den anzüglichen Bierzelt-Alpenelvis Andreas Gabalier als "Integrationsbotschafter" einzusetzen, ging nach hinten los. Mehr Heimatgefühl durch Dirndl und Lederhose? Man wollte "die Masse erreichen", doch mit dem umstrittenen Sänger als Aushängeschild erreicht man höchstens jene mit Nationalstolz. Hier kommt es auch zum erwähnten Missverständnis der Kampagne. Minister Sebastian Kurz hatte für die offizielle Vorstellung des Projekts seine "Integrationsbotschafter" versammelt, die sich vertrauensvoll und unterstützend hinter ihn stellten. Zum Teil allerdings wurden diese schlecht gebrieft: Nicht alle Botschafter wurden darüber informiert, dass das Ziel der Kampagne sei, das "Heimatgefühl unter Migranten zu stärken". Ein wesentlicher Punkt.

Ich bin froh drüber, in einem Land zu leben, in dem ich mich über verpatzte Maßnahmen öffentlich ärgern kann, ohne um mein Leben zu fürchten. Sie lesen den Unterschied: #frohdrüber statt #stolzdrauf. Eine weitere Alternative für eine gelungene Kampagne wäre gewesen, die Diversität unter den eingewanderten Wahl- oder Geburtsösterreichern stolz zu präsentieren. Stolz nämlich, weil man eine Einwanderungspolitik und Willkommenskultur betreibt, um etwa qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich zu "locken".
Aber vielleicht hat man diese Dinge bewusst in der Kampagne nicht erwähnt, weil man es nicht konnte, weil diese Maßnahmen in Österreich nicht wirklich gelungen sind.