Zum Hauptinhalt springen

"Stonehenge ist ein Recycling-Monument"

Von Eva Stanzl

Wissen

Um den Steinkreis zu bauen, wurde wie im alten Rom das Material alter Monumente verwendet - TV-Doku zeigt österreichische Forschungsergebnisse.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Steinkreisformation Stonehenge fasziniert nicht nur die Besucher, sondern auch die Wissenschaft. "Ihre Geschichte geht weit über den Steinkreis, den wir heute sehen, hinaus", sagt Wolfgang Neubauer, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion in Wien. Das zweiteilige ORF-Format "Universum History" zeigt diesen und am folgenden Freitag jeweils um 22.45 Uhr die Ergebnisse des Forscherteams unter seiner Leitung.

Zusammen mit Archäologen der Universität Birmingham haben die Wiener Archäologen das 14 Quadratkilometer große Areal mit modernster Technik gescannt. Entstanden ist eine 3D-Landkarte des Geländes bis in eine Tiefe von drei Metern, die verborgene Objekte zeigt. Anstatt sie auszugraben, was Jahre gedauert hätte, haben die Forscher das Erdmagnetfeld gemessen, um Rückschlüsse auf archäologische Strukturen zu ziehen. Mit Bodenradar haben sie elektromagnetische Wellen in den Untergrund geschickt, um überbaute Strukturen zu lokalisieren. Anhand der Daten ließ sich eine virtuelle Ausgrabung erstellen.

Die Forscher fanden unzählige, zuvor unbekannte Monumente und Gräber. Sie brachten Beweise für 17 Schreine und dutzende Gräberhügel im Untergrund, einige davon 6000 Jahre alt. Den Erkenntnissen zufolge bestand der nahe gelegene, noch größere Steinkreis namens Durrington Walls einst aus bis zu 60 Steinen von bis zu drei Meter Höhe und ist älter als Stonehenge, dessen heutige Form vor 2500 bis 2000 vor Christus errichtet wurde.

"Die Entstehung von Durrington Walls, mit 500 Metern Durchmesser ein Superhenge, zeigt eine andere Geschichte dieser rituellen Landschaft", sagt Neubauer. Es wurde an einem ehemaligen Mäander des Flusses Avon, der zum Transport der Steine benutzt wurde, errichtet. Zuvor hatte man angenommen, dass alle der mannsgroßen "Blue Stones" zum Bau der Monumente aus Wales kamen. Die Forscher haben herausgefunden, dass Blue Stones wiederverwendet wurden. So wie die Christen in Rom römische Tempel zu Kirchen machten, wurden auch in der Steinzeit neue aus alten Monolithen gebaut. "Wenn dem so ist, dann ist Stonehenge ein Recycling aus alten Monumenten, die ihre Bedeutung verloren hatten. Die ganze Landschaft ist viel älter als der Steinkreis", erklärt Neubauer. Laut den Forschern wurde das Gebiet in der englischen Grafschaft Wiltshire zur größten steinzeitlichen Siedlung Nordeuropas, weil es dort Quellen gab. Es handelte sich um "Winter Born Springs" - Wasser, das sich in Hohlräumen der Kreideböden sammelte und zutage trat, wenn die Hohlräume übervoll waren. "Das muss spektakulär ausgesehen haben und gab wohl Anlass für den Bau einer rituellen Kultstätte. Der Eingangsbereich ist, wo die Entwässerung stattfindet."

Die Forscher haben auch eine zweite Sorte von Quellen entdeckt, die Feuersteine färben: Nehme man die Steine aus dem Wasser, würden diese eine leuchtend pinke Farbe annehmen, was auf die Algen- und Bakterienkultur des Wassers zurückzuführen sei. "Es dürfte so sein, dass die pinken Feuersteine ein wesentliches Element waren bei der Umwandlung einer profanen in eine sakrale Landschaft", sagt Neubauer, der derzeit mit seinem Team die Messdaten auswertet.