Verborgene Landschaft Stonehenge: Ausstellung wirft neues Licht auf die Kultstätte und ihre Umgebung.
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Wien. Stonehenge ist das wohl berühmteste und zugleich rätselhafteste Monument der Urgeschichte. Eine Million Menschen kommt jedes Jahr nach Südengland, um sich den neolithischen Steinkreis anzuschauen. Sein Foto reist nicht nur im Internet um die Welt, sondern ist auch auf Kaffeetassen, Handtaschen, T-Shirts und sogar Handywertkarten zu finden. "Mit dem rund 4000 Jahre alten Steinkreis haben unsere Vorfahren ein außergewöhnliches Stück Architektur geschaffen", betonte der britische Archäologe Julian Richards, einer der renommiertesten Forscher zu Stonehenge, am Mittwoch vor Journalisten in Wien.
Eine originalgroße Rekonstruktion davon ist ab 20. März im Rahmen der Ausstellung "Verborgene Landschaft Stonehenge" im Mamuz Museum in niederösterreichischen Miselbach zu bewundern. Die Schau lasse Spektakuläres erwarten, die Erkenntnisse wurden "weit über Niederösterreich hinaus Furore machen", betonte Landeshauptmann Erwin Pröll bei der Präsentation der Ausstellung in der britischen Botschaft in Wien. Das Land Niederösterreich wolle seine Position als Kompetenzzentrum für Archäologie festigen.
Der Steinkreis ist nur die Spitze des Eisbergs einer Kulturlandschaft von viel mehr und wesentlich älteren Monumenten. Bis zu 10.000 Jahre alte Kultstätten liegen im Untergrund. Vieles, was in der Ausstellung gezeigt wird, ist in der Natur gar nicht sichtbar. Zu betrachten sind virtuelle Rekonstruktionen von Messdaten aus der archäologischen Prospektion. Mit Hilfe von Bodenradar und geomagnetischer Prospektion wurden dreidimensionale Bilder des Untergrunds angefertigt.
Das bei der Ausstellung federführende Team um den Archäologen Wolfgang Neubauer vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und seine Kollegen von der Universität Birmingham haben im "Hidden Landscapes Project" seit 2010 eine Fläche von 14 Quadratkilometern rund um Stonehenge mit prospektiven Messungen untersucht und dabei eine unterirdische Stadt entdeckt. Zu den Funden zählen der drei Kilometer von Stonehenge entfernte, noch viel ältere und größere Steinkreis bei Durrington Walls sowie ein 500 Meter südlich davon gelegenes Langhaus aus 3900 vor Christus: Es diente der Gemeinschaft als Ort der Bestattung und war, wie sich erst vor wenigen Tagen zeigte, "Stonehenges sonniger Friedhof", sagt Neubauer zur "Wiener Zeitung"
Die Köpfe der Vorfahren
"Das Langhaus steht in Verbindung mit frühen Siedlern der Michelsberger Kultur, die aus dem heutigen Frankfurt auf die Britischen Inseln kamen. Sie lösten die mesolithischen Jäger ab und bauten Langhaus-ähnliche Strukturen, um die Toten zu bestatten", so Neubauer: "Nun haben wir herausgefunden, dass zur Sommersonnwende die Sonne genau durch den Eingang scheint - und auf die Köpfe der Vorfahren."
Laut Österreichs "Wissenschafter des Jahres 2015" wirft die Entdeckung neues Licht auf die Geschichte der Besiedelung Großbritanniens. Ursachen für Völkerbewegungen sind in der Regel (wie auch derzeit) kriegerische Ereignisse oder religiöse Konflikte. Falls im jungsteinzeitlichen Europa ein autoritäres Religionssystem dominierte, wären Strömungen von Naturreligionen damit im Konflikt gestanden. In der neuen Heimat mussten die Siedler dann eine neue Identität bilden, um die Gemeinschaft aufzubauen.
"Wir wissen nicht, was es damals für eine Religion gab auf dem Kontinent. Auffällig ist nur, dass alle Funde in der Landschaft um Stonehenge einen Sonnenbezug haben und dass das Langhaus 1500 Jahre älter ist als der berühmte Steinkreis", hebt Neubauer hervor. Die Religion muss also da gewesen sein, lange bevor jemand daran dachte, das rituelle Monument zu bauen.
Die Ausstellung im Mamuz, die im Museumsbudget mit 400.000 Euro festgeschrieben ist, soll die Entwicklung von Stonehenge in chronologischer Anordnung zeigen. Sie enthält interaktive Elemente und soll einen Eindruck von den gewaltigen Dimensionen der Kultstätte vermitteln. Neubauer bezeichnet sie als "Ergebnis eines Forschungsprojekts von drei bis vier Millionen - wir versuchen, etwas zurückzugeben."
Da der britische National Trust erst vor zwei Jahren ein neues Stonehenge-Besucherzentrum eröffnet hat, laufen derzeit noch keine Gespräche, um die Schau nach England zu bringen.
Mamuz-Ausstellung zu Stonehenge
Museum Mistelbach
20.03.2016 - 27.11.2016