Ankara ist über Wiens Haltung zum EU-Beitritt der Türkei empört und blockiert das EU-Land in der Nato.
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Brüssel/Wien. Wenn ihr uns Steine in den Weg legt, dann kommt ihr selbst auch nicht weiter: Nach diesem Motto scheint die Türkei zu verfahren, die sich über die österreichische Haltung zum EU-Beitritt des Landes ärgert. Wien hat offen für eine Aussetzung oder gar einen Abbruch der Verhandlungen mit Ankara plädiert, thematisierte dies bei EU-Ministertreffen und EU-Gipfeln. Durchgesetzt hat es sich bisher freilich nicht, auch wenn in manchen anderen - westeuropäischen - Mitgliedstaaten ebenfalls Skepsis gegenüber einer Aufnahme der Türkei in die Union herrscht.
Trotzdem kommt nun die Retourkutsche aus Ankara. Die Türken möchten die Österreicher für längere Zeit in den Nato-Programmen blockieren, an denen das neutrale EU-Land als Partnerstaat teilnimmt. Diese Verhinderungstaktik wird zwar schon seit Monaten angewendet, doch schon bald könnte eine Regeländerung im Militärbündnis größere Auswirkungen auf die österreichischen Auslandseinsätze haben. An diesen beteiligt sich das Bundesheer mit immerhin rund tausend Soldaten; im Kosovo stellt es mit 400 Personen eines der größten Truppenkontingente.
Das entsprechende Mandat läuft zwar weiter, doch sind Ausbildungsprogramme und gemeinsame Übungen in Gefahr. Die Nato möchte nämlich die Vereinbarungen künftig mit den einzelnen Ländern und nicht wie bisher mit allen 41 Partnerstaaten zusammen treffen - damit die Türkei eben nicht alle blockieren kann. Genau das hat sie aber getan, obwohl sie nur Österreich treffen wollte. Daher sollen sich andere Partner, unter ihnen Finnland, beschwert und eine Änderung der Regeln gefordert haben. Ihnen würde das eine weitere Kooperation mit der Militärallianz ermöglichen, während Österreich isoliert zurückbleiben könnte. Der Druck, den Zwist auszuräumen, stieg vor dem Nato-Gipfel am morgigen Donnerstag, zu dem US-Präsident Donald Trump anreist. Dabei sollten nämlich andere Probleme zur Debatte stehen.
Fristende ohne Einspruch
So musste Österreich gestern, Dienstag, einen Rückschlag hinnehmen. Denn die Frist, bis zu der Einsprüche gegen die geplanten Individualabkommen erhoben werden konnten, ist abgelaufen. Zwar liefen bis zuletzt die Bemühungen der österreichischen Diplomatie, doch noch ein Land zu einem Veto zu bewegen, das die neue Regelung verzögern und die alte vorerst in Kraft lassen würde. Doch sie blieben ohne Erfolg.
Zuvor war das bereits mehrmals Mal gelungen. Denn es war mittlerweile die siebente Frist, die verstrichen ist. Und sechs Mal hatten sich Länder gegen das Vorhaben gewandt, die Nato-Partnerschaftsprogramme mit einzelnen Staaten abzuschließen. Unter anderem hatten Deutschland, Ungarn und Griechenland ihren Einspruch gemeldet. Dieses Mal äußerte niemand Einwände. Die Reform kann nun in Kraft treten.
Die Appelle des österreichischen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil blieben unberücksichtigt. Der Politiker hatte Solidarität von den Partnern eingefordert. Er verurteilte das Vorgehen der Türkei "auf schärfste". Das Land "gefährdet damit die Sicherheitsinteressen Europas", sagte Doskozil der Austria Presseagentur und verwies auf die Einsätze am Westbalkan, die zur Stabilisierung der Region beitragen sollen. Ein Abzug der österreichischen Truppen steht zwar nicht unmittelbar bevor, doch eine Neuverhandlung des Mandats könnte sich schon schwierig gestalten.
Auf jeden Fall kann die Türkei andere Formen der Zusammenarbeit Österreichs mit der Nato empfindlich stören. Bildungs- und Trainingsprogramme können verhindert werden. Die sind aber notwendig um die sogenannte Interoperabilität, die Abstimmung unterschiedlicher Systeme und Organisationen, sicherzustellen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium gegenüber der "Wiener Zeitung". Die Standards müssen erfüllt sein, um sich an Friedensmissionen beteiligen zu können.
Nicht nur in Doskozils Behörde, auch in anderen Ressorts in Wien war Unmut zu hören, dass die Türkei die bilateralen Schwierigkeiten mit Österreich auf eine internationale Ebene gehoben hat. Gleichzeitig war klar, wie viel Gewicht die Beitrittskandidatin in der Nato hat. Kein anderes Mitglied wollte die Kooperation mit Ankara wegen eines Streits mit Wien aufs Spiel setzen.