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Störung in der Arbeitswelt

Von Bernhard Baumgartner

Wissen

Die Schau "At Your Service" verhandelt verschiedene Aspekte modernen Arbeitens


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Die Stimmung in den Gesichtern ist mit "bedrückt" nur unzureichend beschrieben. Unendliche Müdigkeit, totale Resignation trifft es eher. Die Arbeiter, die jeden Tag am Arbeitsstrich im albanischen Shkodra auf eine Aufgabe warten, haben ihr Arbeitsgerät mit: einen Generator, um Strom zu erzeugen, den es auf der Baustelle selten gibt. Aber kaum jemand kommt, um Männer anzuheuern. Warten bis zur Sinnlosigkeit - so ist der Alltag, den der Künstler Adrian Paci in einer Videoprojektion dokumentiert. In dem Film werfen die Männer den Generator an, um sich mit einer Glühbirne selbst zu beleuchten - um Licht auf ihre Situation zu werfen. Eine surreale Szene, die knapp ein Dutzend Männer sitzend, jeder mit Glühbirne in der Hand.

Die Arbeitskraft als Kapital, entwertet durch den Fortschritt, die Modernisierung, die Verlagerung von der Real- in die Finanzwirtschaft mit ihren virtuellen Zocker-Spielchen. Wo bleibt da noch Platz für den Menschen? Fragen wie diese verhandelt das Technische Museum Wien derzeit mit der Ausstellung "At Your Service", die künstlerische Interventionen in die Schausammlung verstreut. Etwa Ulrike Lienbachers "Detektive". Die Installation besteht aus drehbaren Überwachungsspiegeln, die von der Decke baumeln. Spiegel wie diese sind üblich: im Supermarkt oder im Bauhandel. Sie sollen Kunden, aber auch Mitarbeiter überwachen - und diese Überwachung transparent machen. Kameras wären genehmigungspflichtig - Spiegel sind es nicht. Daher gibt es sie auch überall.

Ein Lob der Disziplin

Disziplin, Kontrolle, Normierung - diese allgegenwärtigen Werte der Leistungsgesellschaft führt wiederum Lienbachers Installation "Elite" vor Augen. Sie zielt auf das Paradox, dass Muskelkraft in der heutigen Arbeitswelt kaum noch benötigt wird, es dennoch als schick gilt, einen trainierten Körper zur Schau zu stellen. Lienbacher ließ Hanteln und Gewichte von der Maufaktur Augarten in strahlend-weißem Porzellan nachfertigen - korrespondierend mit dem weißen Kragen der Bürohengste, die sich nicht mehr in der Kinette abrackern und daher ihren Energien in der Muskelbude freien Lauf lassen.

Einen ernüchternderen Blick auf den Arbeitsalltag wirft die gebürtige Russin Anna Jermolaewa mit der Videoinstallation "Nordbahn". Die Bahnlinie war zu früheren Zeiten eine Arterie der Arbeitsmigration aus dem Nord-Osten nach Wien - heute ist sie es wieder. Jermolaewa besuchte etwa eine slowakische Pflegerin zu Hause. Rund um die Uhr verfügbar, aber ohne jede soziale Absicherung verrichten sie höchstpersönliche Tätigkeiten an den alten Menschen in Österreich.

Eine der wohl drastischsten Veränderungen der Arbeitswelt der vergangenen drei Jahrzehnte hat der Computer gebracht. Diese neuerliche Revolution persifliert der gebürtige Moldawier Pavel Braila. Er bildet in "A Tribute to the Typewriter: The Ink Ribbon’s Footprints" ein Keyboard nach, dessen Tasten aus alten Schreibmaschinen der Sammlung des Museums besteht. In den Maschinen selbst sind Migrationsgeschichten eingespannt, als wären sie gerade erst geschrieben worden. Diese Maschinen sind aus dem Arbeitsleben verschwunden, wie in anderen Technologien auch wurden sie von ihren Nachfolgern ersetzt. In dem Video "Shoes for Europe" geht Braila wiederum der Eisenbahn in Moldawien nach. Güterwaggons aus dem Westen müssen dort auf ein anderes Fahrgestell verladen werden, da im Osten die alte, sowjetische Spurweite nicht mit der unseren korrespondiert. Den Prozess des Umspurens filmte Braila geheim.

Zwar liefert die Schau nur Stückwerk ohne theoretischen Überbau, die Stationen sind jedoch aufwendig und interessant gestaltet. Ein Eye-Opener, den man gesehen haben sollte.

Ausstellung
At Your Service
Kunst und Arbeitswelt
Technisches Museum Wien,
täglich bis 3. März 2013