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Strabags Prestige-Projekt kurz vor dem Aus

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Eine umstrittene Autobahn soll entlang der unberührten Küste am Ostkap gebaut werden.


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Pretoria/Wien. Es sah wie ein vielversprechendes Prestigeprojekt für die Strabag aus. Der Bau-Riese mit Sitz in Wien hatte ein Brückenprojekt in Südafrika an Land gezogen, das seinesgleichen sucht: Über den Mtentu-Fluss im Osten des Landes sollte die höchste Brücke in ganz Afrika gebaut werden - eine vierspurige Straße würde dabei über eine tiefe Schlucht geführt. 223 Meter hoch und 1132 Meter lang sollte die Brücke werden.

Doch der österreichische Konzern ist mit dem Auftrag zwischen die Fronten geraten - in einer lange schwelenden südafrikanischen Saga um Menschenrechte, Naturschutz und Mitbestimmungsrechte. Dazu kommt der ständig mitschwingende Verdacht, dass der von der Regierung vorgegebene Straßenverlauf der neuen N2, der N2 Wild Coast Toll Road, nicht der Bevölkerung dient, sondern einer etwaigen Titan-Mine, gegen die sich die Bevölkerung ebenfalls seit mehr als einem Jahrzehnt zur Wehr setzt.

Baubeginn wird seit einem Monat blockiert

Der Baubeginn der Strabag-Brücke wird jedenfalls physisch von der demonstrierenden Bevölkerung blockiert. Die Anwälte der betroffenen Gemeinden decken in einem juristischen David-gegen-Goliath-Kampf sowohl die südafrikanische Straßenbauagentur Sanral als auch das Umweltministerium mit Beschwerden und Klagen ein, und schreiben auch an die Strabag geharnischte Briefe. Dabei wird das Bauunternehmen daran erinnert, dass es auch Gesetze des Auslands respektieren müsse. Bei dem fraglichen Straßenbau wurde etwa von den Anwälten vorgebracht, dass die Umweltprüfung nicht ausreichend war, um einen Baubescheid an Sanral zu geben - dieses Verfahren wurde diese Woche in Pretoria verhandelt. Ein Urteil soll es im Februar geben.

Außerdem wurde an manchen Orten sogar schon mit Arbeiten begonnen, obwohl es noch keinen Umsiedelungsplan für betroffene Bewohner gibt, der vom Gesetz her zwingend vor dem Baubeginn notwendig gewesen wäre.

Strabag will maximal nurnoch bis Ostern ausharren

Die Strabag International ist vom Widerstand der Bevölkerung nach eigenem Bekunden überrascht worden, wie die "Wiener Zeitung" exklusiv in Erfahrung brachte. Denn das Bauunternehmen ist davon ausgegangen, dass sämtliche notwendigen Voraussetzungen - die Umweltverträglichkeitsprüfung, die Einbindung der Bevölkerung - schon vor der Vergabe von der Regierung beziehungsweise der Straßenbau-Agentur Sanral erbracht worden sind.

Längst hätten die Bauarbeiten beginnen sollen - aber der Strabag bleibt derzeit nichts anderes übrig, als im Hotel Planungsarbeiten zu leisten. Die Arbeiter suchen inzwischen woanders nach neuen Jobs. "Unser Auftraggeber ist die Sanral. Die aktuelle Situation darf kein Dauerzustand werden", erklärt Jörg Wellmeyer, zuständig für das internationale Geschäft der Strabag. "Wenn bis spätestens Ostern nichts passiert, müssen wir mit dem Kunden eine Lösung finden. Das könnte auch ein Vertragsende sein", fügt Wellmeyer hinzu.

"Als die Strabag einen Vertrag mit der südafrikanischen Straßenagentur Sanral abgeschlossen hatte, hätte das Unternehmen wissen müssen, dass die Rechtmäßigkeit des Projekts seit 2012 bei den Gerichten anhängig ist", meint der südafrikanische Anwalt Johan Lorenzen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Baukonzern hätte eine "Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit seiner Bauprojekte" zu überprüfen und "darf sich nicht hinter der Sanral verstecken". Verstöße gegen die Umweltverträglichkeit werden in Südafrika strafrechtlich verfolgt.

Geplante Autobahn schneidet in unberührtes Gebiet

Weshalb die Strabag überhaupt für das Projekt gebraucht wird, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Brücke ist wegen der landschaftlichen Gegebenheiten technisch extrem herausfordernd. Der Mtentu-Fluss ist hier, in Meeresnähe, besonders breit. Doch genau hier, in der Unberührtheit der Natur, parallel zum Küstenstreifen, soll die neue N2 Wild Coast Toll Road entstehen - ein Highway, der das traditionelle Leben der Bewohner im Pondoland zu zerstören droht und ihren auf Landwirtschaft und Ökotourismus basierenden Lebensunterhalt. Der Highway, so heißt es von den offiziellen Stellen, soll Entwicklung bringen.

Gibt es eine Verbindung zwischen Straße und Mine?

"Wenn sie Entwicklung haben wollen, wieso verbreitern sie dann nicht einfach die existierende N2-Autobahn, die mehrere Dörfer verbindet? Wieso wollen sie eine Autobahn im Nirgendwo, neben der Küste?", fragt Nonhle Mbuthuma. Für sie, so wie für viele anderen Bewohner der Gemeinde Xolobeni, liegt die Antwort auf der Hand: Wegen eines riesigen Titanfeldes am fraglichen Küstenstreifen, der den bezeichnenden Namen "Wild Coast" trägt. Dort hat eine australische Minengesellschaft (MRC - Mineral Commodities) ein riesiges Titan-Vorkommen ausgemacht. MRC und der Staat waren schon handelseins, doch die Bevölkerung in Xolobeni probte Widerstand.

Das Projekt brauchte Unruhe in die Region. Mindestens vier Morde wurden seit Mitte 2000 schon gezählt - stets Personen aus der Gemeinde, die sich prominent gegen die Mine ausgesprochen haben. Augenzeugen berichten, dass die Mörder aber nicht aus dem Ort waren und sie noch nie jemand gesehen hatte. Wer sie geschickt hat, weiß man bis heute nicht. Keiner der Morde wurde je aufgeklärt. Für die Bewohner der Region ist die Untätigkeit der offiziellen Stellen in diesem Zusammenhang zumindest verdächtig.

Doch auch in der Gemeinde selbst wurden heftige Wortgefechte ausgetragen: Die einen sahen das schnelle Geld, die anderen sahen eine unwiederbringlich zerstörte Natur und eine zeitlich befristete kurzzeitige Geldquelle - die Minenlaufzeit ist auf 22 Jahre angelegt. Aber was dann?

Was bleibt, habe man in ganz Südafrika gesehen: Verbrannte Erde, erzählt Nonhle Mbuthuma, seit 2016 Vorsitzende des Amadiba Crisis Committee (ACC), das 2007 gegründet wurde, um gegen die Mine zu kämpfen.

Nonhle Mbuthumas Vorgänger an der ACC-Spitze, Sikhosiphi "Bazooka" Radebe, ist 2016 am helllichten Tag erschossen worden. Auch Nonhle Mbuthumas Name befindet sich auf einer angeblich unter Kopfgeldjägern kursierenden Liste. Sie benötigt zeitweise Personenschutz. Manchmal muss sie untertauchen.

Etappensieg im November gegen den Minenbau

Nonhle Mbuthuma und das ACC hatten als erste Organisation in Südafrika den Staat wegen des Minenprojektes verklagt. Die Regierung hätte die Schürf-Genehmigung nicht vergeben dürfen, die Gemeinde habe ein gesetzliches Mitspracherecht. Ende November hat der Amadiba-Gemeinde ein Gericht, der regionale High Court, recht gegeben: Die Mine dürfe nur errichtet werden, wenn die Bürger zustimmen. Es war ein riesiger Teilerfolg für die Aktivisten und das erste Mal, dass in Südafrika ein derartiges Urteil ausgesprochen wurde.

Doch damit ist der Fall nicht zu Ende. Bis zum 13. Dezember kann der Staat noch gegen das Urteil in Berufung gehen. Im schlimmsten Fall könnte es weitere drei Jahre dauern, bis es zu einer Entscheidung kommt.

Ob die Straße an der Küste ohne der Mine trotzdem für den Staat interessant ist, wird sich dann zeigen.