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Vizekanzler Strache über seinen Blick auf die Rollen der Medien und haltlose Vorwürfe gegen Asylwerber.
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Wien. Heinz-Christian Strache (49) ist als Vizekanzler im Zentrum der Macht angekommen. 13 Jahre hat der FPÖ-Obmann dafür benötigt; damals, 2005, hat er die Partei nach der Abspaltung von Jörg Haiders BZÖ übernommen.
Die Umfragen sehen die FPÖ seit Bildung der türkis-blauen Regierung stabil bei 20-Prozent-Plus. Von daher alles paletti in der blauen Welt. Für die Kritiker kann davon keine Rede sein. Sie sehen die demokratischen Institutionen der Republik unter Druck.
"Wiener Zeitung": Herr Vizekanzler, stört zu viel Ruhe das politische Geschäft der FPÖ?Heinz-Christian Strache: Ruhe? Warum Ruhe?
Ja, Ruhe, verstanden als Abwesenheit von Erregung und Empörung.
Na ja, Ruhe gibt es so gesehen nie in der Politik. Aber es ist natürlich gut, wenn das Ganze professionell und menschlich respektvoll vor sich geht. Darum bemühen wir uns in der Regierung, und die Bürger haben meiner Meinung nach auch darauf Anspruch.
Die Frage zielt nicht auf das Verhältnis in der Koalition ab. Diese funktioniert nach außen weitgehend reibungsfrei. Nach außen aber sorgt die FPÖ, sei es bewusst oder ohne Absicht, für permanente Unruhe in der Öffentlichkeit.
Politik lebt zum Glück von Bewegung, weil das bedeutet Diskurs und Positionierung. Das soll auch sichtbar sein. Wenn die politischen Mitbewerber das eine oder andere anders sehen, kann ich nichts Negatives dabei finden. Das soll und muss ja so sein.
Mitunter geht es dabei aber um Grundlegendes. Die FPÖ steht bei Kritikern unter Generalverdacht, Axt an die demokratische Grundordnung zu legen, etwa beim Verfassungsschutz oder bei der Medienfreiheit. Sie weisen das zwar zurück, dennoch bietet die FPÖ stets neue Verdachtsmomente.
Manchmal ist es richtig, das rot-schwarze Proporzkartell aufzubrechen, denn das wollen die Bürger. Dort, wo es starke Verdachtsmomente, etwa beim BVT gibt, wo die Staatsanwaltschaft schon lange ermittelt, kann ich mich nur wundern, dass die Kritiker das nicht akzeptieren. Auch die ermittelnde Staatsanwältin hat betont, stets Herrin des Verfahrens gewesen zu sein. Offensichtlich haben manche kein Interesse, die Vorwürfe aufzuklären.
Sie pflegen eine intensive Partnerschaft mit Italiens Vizepremier Salvini. Tauschen Sie sich auch über Italiens Budgetpläne aus?
Nein, bis jetzt haben wir das nicht gemacht.
Die EU-Kommission übt harsche Kritik, weil Italien das Defizit entgegen den Vorgaben massiv ausweiten und die Schulden erhöhen will. Eine solche Politik ist kaum im Interesse Österreichs, zumal sie die Stabilität der Eurozone gefährden kann.Ich habe mich damit nicht befasst. Ich verstehe aber Salvinis innenpolitische Situation. Sie kennen aber auch meine Position für Österreich. Dieser Regierung ist es gelungen, erstmals seit 1954 einen Budgetüberschuss sicherzustellen. Das ist unsere Haltung, über die anderer Regierungen will ich nicht urteilen.
Nicht einmal, wenn diese Pläne massive Folgen für Österreichs Wirtschaft haben?
Deshalb ist ja Europa gut beraten, sich intensiv mit der Regierung in Rom über deren Vorhaben zu unterhalten.
Die Republik feiert 100. Geburtstag. Zu deren Erfolgsfaktoren nach 1945 zählt die Sozialpartnerschaft. Heute gibt es drei gleich starke Parteien und der Bundespräsident entstammt einer vierten. Kann eine nach wie vor rot-schwarze Sozialpartnerschaft unter diesen Bedingungen überhaupt funktionieren?
Grundsätzlich ist die Sozialpartnerschaft nach wie vor wichtig. Auch wir wollen wichtige Entscheidungen, etwa die Kassenreform, mit ihr verhandeln. Am Ende muss aber jede Regierung ihre Entscheidungen treffen. Das ist in der Vergangenheit nicht passiert. Zu oft haben die Sozialpartner Projekte blockiert.
Vor einigen Wochen hat FPÖ-Klubobmann Gudenus einen Asylwerber beschuldigt, Sympathien für Islamismus zu hegen. Nach Recherchen der "Wiener Zeitung" haben sich die Vorwürfe als haltlos herausgestellt. Immer wieder thematisiert die FPÖ angebliche Verfehlungen von Migranten, die sich dann als nicht richtig erweisen. Warum?
Wir sind hier alles andere als leichtfertig. In den letzten 20 Jahren haben wir zahlreiche Missbrauchsfälle aufgedeckt, die von den anderen versucht wurden, unter den Teppich zu kehren. Wenn in einem Einzelfall ein Fehler geschieht, muss das auch gesagt werden. Das passiert auch Medien. Wenn Fehler vorkommen, muss man sich entschuldigen. Das ist hier geschehen.
Die FPÖ verbindet mit den etablierten Medien eine komplizierte Geschichte. Immer wieder kommt es zu heftigen Konfrontationen. Über die Jahre hat die Partei eigene Kanäle zur Verbreitung ihrer Botschaften aufgebaut. Braucht die FPÖ klassische Medien noch?
Also, erstens, die Medienfreiheit ist in Österreich nirgendwo auch nur im Ansatz gefährdet, das ist und bleibt eine absurde Unterstellung. Davon abgesehen gibt es, zweitens, eine vielfältige Medienlandschaft, von der alle Parteien kritisch beleuchtet werden. Das ist nicht nur legitim, sondern auch richtig und wichtig. Aber auch für Medien gilt, dass sie es sich gefallen lassen müssen, von Zeit zu Zeit kritisch hinterfragt zu werden. Das gehört zu einer freien Gesellschaft mit Presse- und Meinungsfreiheit dazu. Ich kann diese Wehleidigkeit mancher Medienvertreter nicht nachvollziehen, ich jedenfalls bin es nicht. Zumal der Erfolg eines Politikers immer auf seiner Arbeit und Ehrlichkeit beruht und nicht auf dem, was und wie Medien über ihn berichten, sei es positiv oder negativ. Man hat ja bei Christian Kern gesehen, wie schnell solche konstruierten Medienbilder zusammenbrechen, wenn sie nicht der Wirklichkeit entsprechen. Hinzu kommt, dass auch die Bürger durch die Möglichkeiten, welche die Neuen Medien bieten, unabhängiger und emanzipierter von den etablierten Medien geworden sind.
Aber braucht die FPÖ die klassischen Medien überhaupt noch?
Was heißt "nicht mehr brauchen"? Diese Medien braucht es unbedingt, aber wir haben sie nie für uns in Anspruch genommen oder etwas von ihnen erwartet. Ihre Frage lässt den Schluss zu, dass andere Parteien sehr wohl auf die Unterstützung mancher Medien angewiesen sind. Das kann schon sein, aber wir sind es jedenfalls seit 13 Jahren nicht. Man soll die Rolle der Medien weder über- noch unterbewerten: Wahlergebnisse hängen nicht mehr davon ab, wie die etablierten Medien berichten.
Davon abgesehen halte ich es aber für problematisch, wenn Medien selbst Politik machen wollen. Es geht darum, dass sich die Bürger ein umfassendes Bild von den Problemen machen können. Das kommt da und dort zu kurz. Vielleicht liegt hier auch der Grund, warum bei manchen die Leserzahlen sinken. Aber das ist nicht mein Thema, das sollen Experten bewerten.
Diese Debatte wird in den Medien intensiv geführt. Außer Zweifel steht, dass der Umbruch durch die Sozialen Medien auch Schattenseiten hat. Journalismus im klassischen Sinn findet hier selten statt. Haben für Sie klassische Medien noch eine höhere Glaubwürdigkeit als Facebook, Twitter und all die anderen digitalen Kanäle?
Ja. Klassische Medien haben eine unglaubliche Bedeutung, Verantwortung und auch höhere Glaubwürdigkeit. Und trotzdem beharre ich in manchen Segmenten auf der Kritik, die auch immer mehr Bürger äußern. Zu oft ist es der Fall, dass in allen Tageszeitungen das Gleiche steht, auch ich selbst habe früher eine andere, größere Vielfalt wahrgenommen. Wir alle, aber vor allem die Medien selbst müssen an ihrer Qualität und Vielfalt arbeiten.
Die FPÖ will die Gebührenfinanzierung für den ORF abschaffen. Was soll sich dadurch an der journalistischen Qualität verbessern?
Die Qualität eines Mediums ist keine Frage der Finanzierung, sondern seiner Richtlinien. Jene des öffentlich-rechtlichen ORF sind zu definieren und zu leben. Seitens der FPÖ gibt es ein klares Bekenntnis zum ORF. Es braucht ihn, er ist wichtig für Österreich. Die Detailfragen sind: Wie stelle ich die Qualität sicher und wie die Finanzierung? Das werden wir in der Regierung diskutieren.