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Strache-Kruzifix und Graf-Attacken - Wen interessiert da noch das Budget?

Von Stefan Melichar

Analysen

Der Wochenausklang im Nationalrat war hektisch: Sechs namentliche Abstimmungen waren für Freitagabend angesetzt (ein besonders zeitraubendes Verfahren). Dazu kamen noch zahlreiche Entschließungsanträge. Unter anderem erhitzten die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei die Gemüter, ebenso die umstrittenen Äußerungen des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf über Ariel Muzicant, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde. Und - ach ja: Nebenbei blieb dann doch noch die Zeit, das wahrscheinlich wichtigste Gesetz dieser Legislaturperiode durchzuwinken.


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Tatsächlich hat das Doppelbudget für 2009 und 2010 - verglichen mit den genüsslich breitgetretenen politischen Aufregern der vergangenen Wochen - kaum Staub aufgewirbelt. Dass inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg der Staatshaushalt - gegenüber Strache-Kruzifix und FPÖ-Comic - zur Nebensache geworden ist, dürfte Finanzminister Josef Pröll und seinen Regierungskollegen dabei alles andere als ungelegen kommen.

Zur Erinnerung: Die österreichischen Staatsschulden werden bis 2013 von 176 auf 247 Milliarden Euro (knapp 80 Prozent der Wirtschaftsleistung) explodieren. Bereits heuer steigen die Zinszahlungen der Republik um 700 Millionen auf 8,1 Milliarden Euro, 2011 wird mit 11,3 Milliarden Euro gerechnet. Im Vergleich dazu nimmt sich etwa das Bildungsbudget mit 7,2 Milliarden Euro geradezu mickrig aus.

Schuld an der Misere sind auf der einen Seite die steigenden Ausgaben für Banken- und Konjunkturprogramme sowie Arbeitsmarktpolitik, auf der anderen Seite die sinkenden Steuereinnahmen im Zuge der Krise. Besonders problematisch scheint dabei, dass der Finanzminister bei der Budgeterstellung noch von deutlich günstigeren Konjunkturprognosen ausgegangen ist, als sie Wirtschaftsforscher mittlerweile vorlegen.

Nun hat sich der Nationalrat alleine in den vergangenen beiden Wochen an sechs Plenartagen mehr als 60 Stunden lang mit dem Budgetgesetz befasst. Kaum aufgefallen sind dabei konstruktive Versuche, die Regierung auf ein Programm zum Schuldenabbau nach der Krise festzunageln. Und eines scheint klar: Sollte die viel beschworene - bisher aber immer bereits in ihren Ansätzen gescheiterte - Staats- und Verwaltungsreform nicht greifen, bleibt letztlich nur die Kürzung von Sozialausgaben oder das Erhöhen von Steuern.

Es wäre wohl ureigenste Aufgabe gewählter Volksvertreter, derartige negative Auswirkungen auf die Wählerschaft nach Möglichkeit zu minimieren. Politiker behaupten gerne von sich, immer das Wohl des Steuerzahlers im Auge zu haben. Rund um die parlamentarische Budgetdebatte wäre der optimale Zeitpunkt dazu gewesen.