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FPÖ-Chef sieht sich als Opfer einer Medien-Kampagne. | Attacken gegen ÖVP und Grüne. | Zurückhaltung bei anderen Parteien, DÖW sieht NS-Nähe der FPÖ belegt. | Wien. Mit einem Rundumschlag gegen politische Mitbewerber - allen voran ÖVP und Grüne -, Medien und auch etwaige Heckenschützen in der eigenen Partei kam am Montag FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der Aufforderung von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zu einer "eindeutigen Klarstellung" im Zusammenhang mit der Foto-Affäre nach, die dieser im Interview mit der "Wiener Zeitung" verlangt hatte.
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In seiner fast Erklärung betonte der FP-Chef, dass er weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart auch nur das Geringste mit nationalsozialistischem Gedankengut "etwas am Hut" gehabt habe. Auch in der FPÖ sei für Neonazis kein Platz.
Seine Nähe zu Personen, die später wegen NS-Widerbetätigung mit dem Gesetz in Konflikt gerieten und ebenfalls auf manchen Fotos zu sehen sind, erklärte Strache mit seiner politischen Sozialisation: Er sei stets begeisterter Burschenschafter - hier berief er sich auf deren demokratische Tradition von 1848 -, patriotisch, anti-kommunistisch und wehrbereit gewesen. Durch seine Jugendliebe, die Tochter von NPD-Gründer Norbert Burger, sei er auch mit deren Vater in engem Kontakt gewesen. Doch man könne "als junger Mensch keine eigenständige gefestigte politische Meinung haben".
Die jetzige Berichterstattung über ihn verglich der FP-Chef mit dem Stil der NS-Propagandazeitschrift "Stürmer". Dabei würden Fotos aus dem Zusammenhang gerissen und in manipulierender Weise interpretiert. Als Beleg dafür zeigte Strache Fotos der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Italiens Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und auch von Ex-VP-Staatssekretär Alfred Finz. Letzterer ist dabei mit dem verurteilten Neonazi Gottfried Küssel auf einem Foto. Finz wies jede wissentliche Begegnung mit Küssel zurück.
Anders als etwa Deutschlands Ex-Außenminister Joschka Fischer habe er, Strache, weder Gewaltanwendung weder trainiert noch angewandt. Der ÖVP warf er vor, sich nie von Ständestaat-Kanzler Engelbert Dollfuß distanziert zu haben.
SPÖ, ÖVP zufrieden, BZÖ ganz und gar nicht
Die anderen Parteien reagierten auf die Erklärung Straches verhalten. SPÖ-Klubchef Josef Cap sieht die von seiner Partei geforderte Klarstellung vorgenommen, fordert aber auch Taten, nämlich dass es zu keinen ausländerfeindlichen Wahlkämpfen mehr komme. ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon meinte, die Erklärung sei "spät, aber sehr wichtig" gewesen. Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen nahm die Worte des FPÖ-Chefs zur Kenntnis und BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz sprach von einem "Brülldurchfall".
Für das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) ist belegt, dass FPÖ-Politiker immer wieder Äußerungen abgeben, die als rechtsextremistisch, weil "revisionistisch", nationalistisch, rassistisch, antisemitisch oder autoritär, zu werten seien. Unter diesen befinde sich auch Strache. Diesem dürfe, so das DÖW, auf Grund eines Gerichtsurteils vom November 2004 "eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut" vorgeworfen werden.
Rechtsextremist Thierry verteidigt Strache
Zur Foto-Affäre hat sich nun Andreas Thierry, einem der Proponenten des rechtsextremen Spektrums, in einer Erklärung an die APA zur Wort gemeldet. Unter dem Titel "Viel Geld für ein paar Lügen. Warum ich HC Strache denunzieren soll" spricht Thierry von einer "Treibjagd" gegen Strache. Er behauptet, er werde "von Journalisten belästigt". Und weiter: "Man möchte, dass ich kompromittierende Dinge über Strache erzähle, gleichgültig ob sie wahr oder falsch sind." Eine Distanzierung Thierrys vom Rechtsextremismus findet sich nicht.
Wissen
Der Begriff "Drittes Lager" bezeichnete die neben sozialdemokratischer und christlich-sozialer Denkweise dritte politische Strömung in Österreich. Der Begriff kam in der Nachkriegszeit auf, als den ehemaligen österreichischen NSDAP-Mitgliedern das Wahlrecht wieder zuerkannt wurde und daraus die Gründung des Verbandes der Unabhängigen (VdU) 1949 resultierte.
Die Wurzeln des Dritten Lagers liegen im Deutschnationalismus, der nach dem Ersten Weltkrieg Österreich die Existenzberechtigung als eigenem Staat neben dem Deutschen Reich abgesprochen hatte. Ideologischer Gegenpol war das katholisch-konservative Lager unter Engelbert Dollfuß mit der austrofaschistischen Ständestaat-Ideologie. 1955 resultierte aus dem VdU, der etliche ehemalige Nationalsozialisten anzog und einte, die FPÖ. Diese betonte unterschiedlich und je nach Obmann ihre liberale wie nationale Gesinnung.
Zur Vorsicht rät der Politologe Hubert Sickinger: "Die Frage ist: Wo lässt man Rechtsextremismus beginnen und Deutschnationalismus aufhören?" Die Frage, die sich bei der Definition des deutschnationalen Lagers stelle, sei: "Was macht das Identitätsstiftende des Deutschnationalismus aus?"