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Kalina lobt deutliche Worte des FPÖ-Chefs zur NS-Zeit. | Hinausprüfen ist keine Lösung für das Bildungsproblem. | Pflegelösung: Ab Jänner wird geprüft. | "Wiener Zeitung": Schaffen Sie es, während unseres Gesprächs kein einziges Mal etwas Schlechtes oder Negatives über die ÖVP zu sagen? | Josef Kalina: Schwer, aber probieren wir es.
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Ohne diesen Einleitungssatz hätten Sie es aber wohl nicht einmal probiert, oder?
Zumindest wäre es mir noch schwerer gefallen. Es geht aber gar nicht darum, etwas Schlechtes über die ÖVP zu sagen. Tatsache ist: Die ÖVP ist auf der Suche nach Orientierung und - ich sage das ohne jeden Zynismus - ich wünsche mir, dass sich in der Volkspartei jene durchsetzen, die bereit sind, mit uns neue Wege zu gehen. Die Koalition muss endlich an einem Strang ziehen. Dazu zählt vor allem die Bildungspolitik, wo wir allein schon aufgrund der gesetzlichen Lage ein gemeinsames Vorgehen brauchen. Die Organisation ist hier ja nur Mittel zum Zweck, entscheidend ist, dass sich die Qualität des Unterrichts verbessert. Wir müssen mehr Junge zum Studium und zur Matura bringen und nicht weniger. Deshalb - und das ist jetzt nichts Negatives über die ÖVP - sind alle Ideen, die darauf hinauslaufen, Menschen durch Prüfungen sei es von 3- oder 10-Jährigen, von höherer Bildung fern zu halten, kontraproduktiv.
Der zweite Bereich ist die Klimapolitik. Auch hier hat sich Österreich in den letzten Jahren unter ÖVP-Ministern von den Klimaschutzzielen wegstatt hinbewegt. Der dritte Bereich, wo wir dringend einen Konsens brauchen, sind die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt. Hier muss es in der laufenden Hochkonjunktur gelingen, die Langzeitarbeitslosen nachhaltig wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern.
Stichwort Leistungsprüfungen: Zählt auch die Matura zu diesen Prüfungen, die Menschen von höherer Bildung ausschließt?
Natürlich nicht. Man sollte allerdings stärker darauf schauen, dass die Matura unter gleichen Bedingungen in Wien und Bregenz stattfindet.
Also eine Zentralmatura ...
Exakt. Ich halte das für sinnvoll. Man sollte dabei nicht nur die Leistungen der Schüler, sondern auch jene der Lehrer evaluieren. Qualitätssicherung muss immer bei den Ausführenden ansetzen - und das ist die Lehrerschaft.
Die SPÖ bekennt sich bei den Pädagogischen Hochschulen zum Prinzip, dass diese ihre Studenten selbst aussuchen können. Bei den Universitäten lehnen Sie das kategorisch ab. Das ist doch inkonsequent.
Die Matura als Prüfung soll den Reifenachweis für die Universität leisten. Es sollte bei einem Test bleiben, damit ein Jugendlicher ein Studium beginnen kann. Wir dürfen nicht die Selektion verschärfen, sondern müssen die Qualität verbessern und den Zugang erleichtern.
Kämpft die SPÖ beim Uni-Zugang nicht gegen Windmühlen? Die Unis wollen sich ihre Studenten aussuchen und mit der Ausgliederung sind die Weichen auch klar in diese Richtung gestellt.
Ich habe nichts gegen Beratungen, aber nicht im Sinne von Leistungstests. Im Bildungssystem sind stets die Schnittstellen das entscheidende. Deswegen ist auch die Einführung der Neuen Mittelschule so wichtig, denn die frühe Selektion mit zehn Jahren schadet dem Wirtschaftsstandort. Die ÖVP steht hier mit ihrer zum Teil wirklich verzopften, zum Teil von Standesdünkeln bestimmten Position völlig allein da. Und der zweite Grund, warum wir die Neue Mittelschule dringend brauchen, ist die Verbesserung der pädagogischen Qualität. Die liegt vor allem in den AHS im Argen.
Wie geht es eigentlich der Kärntner SPÖ?
Die Freunde in Kärnten bereiten sich darauf vor, ein Bundesland, das nach der Regentschaft durch einen Clown de facto pleite ist, gemeinsam mit den Bürgern wieder auf einen neuen Kurs zu führen. Jörg Haider hat das Land ja durch seine Politik ausgeplündert.
Allerdings ist die Kärntner SPÖ auf gutem Weg, sich selbst zu zerfleischen. Parteichefin Gaby Schaunig liegt im Clinch mit dem Klagenfurter Bezirkschef Wiedenbauer und droht ihm per Ultimatum mit der Absetzung. Von der Bundes-SPÖ vernimmt man dazu wenig.
Das ist nicht nur noble, sondern auch kluge Zurückhaltung. Wer Österreich und im Speziellen Kärnten kennt, der weiß, dass dort keine Einmischung aus Wien erwünscht ist. Das ist schlicht eine Grundregel, die man in Österreich beachten muss. Ansonsten gibt es psychologische Gegenreaktionen. In der Sache selbst stehen wir aber voll hinter dem Kurs von Gaby Schaunig: Das Ultimatum war richtig - lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Wer in den Geruch kommt, Wahlen zu manipulieren, der hat in einer Demokratie den Anspruch auf jedes Amt verloren. Wenns an einem Appell an die SPÖ-Klagenfurt liegen soll, den spreche ich gerne aus, ansonsten ist das Sache der Kärntner.
Haben Sie mit Wiedenbauer telefoniert?
Das ist nicht meine Aufgabe, das machen die Kärntner Freunde.
Der Bund verhandelt derzeit mit den Ländern die Finanzierung der Mindestsicherung. In Deutschland müssen Menschen wegen Hartz IV aus ihrer Wohnung, wenn diese größer als 50 m² ist. Muss man sich in Österreich vor einer solchen Mindestsicherung fürchten?
Nein, sicher nicht. Wobei klar ist, dass die Mindestsicherung sicher keine Hängematte ist, in die sich Menschen, die nicht arbeiten wollen, hineinlegen können. Das ist auch an der Basis der SPÖ in dieser Frage die größte Sorge. Das ist das größte Vorurteil. Im Gegensatz dazu soll die Mindestsicherung ein Sprungbrett für Menschen sein, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Dazu gehört auch, dass sie nur ausbezahlt wird, wenn die Menschen bereit sind, eine Arbeit anzunehmen beziehungsweise eine für die Gemeinschaft nützliche Arbeit zu leisten.
Fürchten Sie, wenn Anfang 2008 die Medien danach forschen, wie viele Menschen tatsächlich ihre jetzt illegale Pflegekraft legalisieren - dass dann als Schlagzeile neue Pflegelösung ist ein Flop übrig bleibt?
Davor fürchte ich mich überhaupt nicht. Klar ist, dass wenn ich eine Amnestie einführe, die Leute die neue Möglichkeit auch nicht in Anspruch nehmen.
Ab 1. Jänner soll rigoros kontrolliert und bei Missachtung der Gesetze gestraft werden?
Selbstverständlich, das ist so wie bei allen anderen Gesetzen. Irgendwann muss die neue Regelung in Kraft treten. Wenn nun Leute wie der ÖVP-Senioren-Chef Khol Nachbesserungen wollen, dann müssen sie zum eigenen Finanzminister gehen und sagen, lieber Willi Molterer, gib das notwendige Geld her.
Die meisten Rückforderungen beim Kindergeld betreffen nicht das Kindergeld selbst, sondern Zuschüsse an Bedürftige. Diejenigen, die das Geld am dringendsten brauchen, werden demnach am Härtesten getroffen.
Sollte ÖVP-Familienministerin Kdolsky hier auf ihrem Standpunkt bleiben, dann wird mit Sicherheit ein Höchstgericht diese Regelung zu Fall bringen. Wir werden die betroffenen Frauen auf jeden Fall unterstützen. Kdolsky wäre gut beraten, ein praktikables Modell zu finden, statt einen Justament-Standpunkt durchzuziehen.
Die Behutsamkeit, mit der die SPÖ FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache im Zusammenhang mit der Foto-Affäre behandelt, überrascht. Bei Jörg Haider hätten Sie längst den Rücktritt eingefordert.
Die Freiheitlichen sind in einer Position, in der man sie politisch einfach nicht mehr ernst nehmen kann. Das betrifft sowohl FPÖ wie auch BZÖ, die ein normaler Mensch ja ohnehin nicht auseinander halten kann. Diese Gruppe ist von ihrer Natur her ein Steigbügelhalter für die ÖVP und deren Belastungspolitik.
Das mag beim BZÖ vielleicht stimmen, bei der FPÖ fällt allerdings das Naheverhältnis zur SPÖ auf.
Überhaupt nicht. Man muss aber feststellen, dass Strache als Person zu etwas fähig war, zu dem Jörg Haider nie bereit war. Als nämlich diese seltsamen Fotos von jugendlichen Übungen im Wald aufgetaucht sind, hat Strache eine klare Distanzierung in aus meiner Sicht sehr akzeptablen Worten zum Nationalsozialismus gefunden. Eine solche Erklärung ist Haider Zeit seines politischen Lebens schuldig geblieben. Diesen Unterschied orte ich schon. Strache sollte jetzt allerdings aufhören, sich in immer neuen Varianten über sein Leben als Heranwachsender zu ergehen, sondern klarstellen, dass er heute diese Ansichten der Wiking Jugend ablehnt. Das muss er klar sagen, eine Distanzierung vom eigenen Leben kann man von niemandem verlangen.