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Straches Jagd auf serbische Stimmen

Von Stefan Beig

Politik

Neue Plattform der FPÖ hofft auf Zuspruch bei christlichen Migranten. | Ausländer "erster" und "zweiter" Klasse? | Wien. "Es geht nicht um eine serbische Plattform, sondern um christlich gesinnte Menschen", beteuert Konstantin Dobrilovic, serbisch-stämmiger Vorsitzender der neuen FPÖ-Vorfeldorganisation "Christlich-Freiheitliche Plattform für ein freies Europa souveräner Völker" (CFP), gegenüber der "Wiener Zeitung". Doch in der serbischen Community erntet das Projekt heftige Reaktionen, denn der CFP-Leiter gilt als Werber um serbische Simmen für die FPÖ.


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"Dobrilovic wird als der erste Austro-Serbe in die Geschichte eingehen, der nachweislich hoher Funktionär einer Partei ist, die faschistischem Gedankengut huldigt", schimpft Darko Miloradovic, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbands serbischer Vereine in Wien. Seine Unterstützung der FPÖ sei für Serben höchst problematisch. "Ich verweise nur auf Frau Barbara Rosenkranz und ihr ungeklärtes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Serben von den Nazis ermordet, etwa im Konzentrationslager Jasenovac. Wenn nun die FPÖ Vernichtungslager leugnet, muss sich Dobrilovic überlegen, wie er dazu steht."

Aber auch der neuen Plattform, die laut FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache christlich-abendländische Werte ins Bewusstsein rufen soll, kann Miloradovic nichts abgewinnen: "Ich frage mich, ob sich Dobrilovic abseits der kulturell-emotionalen Komponente wirklich der Probleme der Menschen mit Migrationshintergrund annimmt, denn die liegen viel mehr bei Wohnen, Bildung und Arbeit."

Migranten waren ein wichtiges Thema bei der Präsentation der Plattform. Strache erwähnte Zuwanderer aus dem Osten und Südosten, die in Österreich hervorragend integriert seien. "Sie haben das gleiche Wertesystem und fühlen sich als Österreicher. Sie bekennen sich zum christlichen Europa."

"Leider schafft der FPÖ-Chef Ausländer ,erster und ,zweiter Klasse", meint Dejan Sudar, Herausgeber der Monatszeitschrift "Kosmo", die in serbokroatischer Sprache erscheint. "Die Speerspitze dieser Agitation sind leider wieder Österreicher mit serbischen Wurzeln. Man versucht auf Grund der jüngsten Vergangenheit der Balkankriege, bestimmte Ressentiments wieder hochleben zu lassen." Eine solche Politik gehöre aber selbst am Balkan der Vergangenheit an. "Wähler sollten sich jenen Optionen zuwenden, die ihnen neben Parolen auch richtige Konzepte bieten."

Ähnliche Worte findet Dino oe, Chefredakteur von "Bum", das jeden Monat sowohl in einer serbokroatischen, als auch in einer türkischen Ausgabe erscheint: "Straches Politik wiederholt die Politik der 90er Jahre von Slobodan Milosevic. ,Die Serben sind ein himmlisches Volk und sollen die Muslime bekämpfen, lautete damals die Propaganda. Und nun sagt Strache zu den Serben: Ihr seid die besseren Ausländer, die Türken sind es nicht."

Mehr christlicher Nachwuchs

Konstantin Dobrilovic kann die Kritik nicht verstehen. "Diese Plattform richtet sich an alle Zuwanderer, die sich mit unserer Kultur identifizieren." Auf Nachfrage räumt er ein, auch Muslime könnten der Plattform beitreten, sofern sie sich zur christlich-abendländischen Kultur bekennen. Die FPÖ sieht der Theologie-Absolvent nicht als nationalistische, wohl aber als national-konservative Partei. Geglückte Integration bedeute "Erlernen der Sprache und Anpassung an das hiesige Wertesystem". Auf die Frage, welche Werte das sind, nennt er "Familie und Nächstenliebe". Dass auch Muslime die Familie schätzen, bestreitet er nicht, betont aber, dass es hier eigentlich um die Förderung des christlichen Nachwuchses geht.

Beobachter bemerken in der freiheitlichen Rhetorik schon seit längerem eine deutliche Abgrenzung vom nicht-christlichen Kulturkreis. Auf einem für Youtube produzierten Internet-Video erwähnt Strache ausdrücklich "türkische, kurdische und tschetschenische Jugendbanden" als Teil einer "sich etablierenden Jugendmafia". Im Gegensatz zu ihnen hätten sich viele Zuwanderer aus europäisch-christlichen Ländern sehr vorbildlich integriert, "weil sie aus einem gemeinsamen Kulturkreis stammen und eine christliche Religion haben".

"Man spielt zurzeit mit der Angst vor dem Islam, der laut Studien vielen Österreichern gerade unsympathisch ist, und will so Protestwähler gewinnen", erklärt Seyit Arslan, Herausgeber der österreichischen Ausgabe der türkischen Zeitung "Zaman". "Mit ihrer Bezeichnung will die Plattform Nicht-Christen ausgrenzen. Das liegt aber nicht auf der Linie der Europäischen Union, die keine religiöse Begrenzung kennt."

Punkten mit Islamophobie

Welchen Anklang wird das FPÖ-Projekt unter christlichen Zuwanderern finden? Große Erfolgschancen bei den Serben sieht Darko Miloradovic nicht; die Serben seien gut integriert und ihr Wahlverhalten ähnle dem anderer Österreicher. Eine gewisse Islamophobie gebe es aber unter ihnen. Einige FPÖ-Aktionen hätten manchen Serben schon gefallen, etwa Fotos von Strache mit serbischem Armband und Drei-Finger-Gruß. "Kein anderer Spitzenpolitiker hat die Serben öffentlich so gezielt angesprochen." Angesichts eines verbreiteten Opfermythos und dem Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, komme das gut an. Hinzu kommt, dass die FPÖ als einzige Partei die Anerkennung des Kosovo abgelehnt hat. "Es gibt einen Grundkonsens in der serbischen Community, dass die Unabhängigkeit dieser serbischen Provinz dem internationalen Recht widerspricht. Die FPÖ hat die Ansicht der absoluten Mehrheit der Serben formuliert und auf den Punkt gebracht." Die historisch gewachsene Nähe der Serben zur SPÖ sei aber nach wie vor stärker.

"Es schmerzt mich, wenn jemand den Geist der 90er Jahre wachruft", klagt Dino oe. "Ein großer Teil der Serben sind wie ich Kriegsflüchtlinge. Wir sind gerade vor der Politik der Milosevic-Diktatur geflohen und kennen das schon. Jeder, der wieder darauf hereinfällt, ist dumm. Wer seine Vergangenheit kennt, weiß: Strache ist der größte Feind der Serben in Österreich." Und Miloradovic legt nach: "Strache und Dobrilovic sind nicht Serben-Vertreter, sondern Serben-Verräter."