Dieses Land ist unfähig, über den blauen Tellerrand hinauszublicken.
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Jetzt kommt endlich eine Wahl, bei der - jedenfalls nach derzeitigem Stand der Dinge -die FPÖ recht chancenlos zu sein scheint, und trotzdem wird es ihr gelingen, den Wahlkampf zu dominieren.
Im Frühjahr wählen wir ein neues Staatsoberhaupt als Nachfolger für Heinz Fischer. Zwar ist derzeit noch ziemlich unklar, wer alles schlussendlich im April als Kandidat antreten wird, allerdings lässt sich schon heute mit Gewissheit sagen, dass diese eine Frage im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen wird: Werden Sie einen Bundeskanzler Heinz-Christian Strache angeloben - oder eben nicht?
An diesem Satz wird kein Kandidat vorbeikommen und zugleich ist darin praktisch das gesamte Elend der Auseinandersetzung mit der FPÖ zusammengefasst, und zwar der politischen wie medialen: Pointiert und zugespitzt, das wohl, aber zugleich von einer abstrakten Oberflächlichkeit, die jede tiefere Befassung mit dem Thema verunmöglicht, weil er scheinbar nur zwei Antworten zulässt: ja oder nein. Dazwischen ist nichts. Und jeder vernünftige Politiker, der trotzdem diesen Zwischenraum argumentativ erkunden will, wird unweigerlich das ungute Gefühl des Lavierens und Ausweichens bei seinen Zuhörern hinterlassen. Wie halt Politiker so sind. Nur nicht festnageln lassen, sich immer eine versteckte Hintertür offenlassen.
Das Problem ist nur: Das Amt des Bundespräsidenten ist in seiner demokratiepolitischen Quintessenz eine vorletzte Rückversicherung für politische Notfälle und Krisen. Ein solches Amt entzieht sich der Ja/Nein-Logik der hiesigen tagespolitischen Auseinandersetzungen - oder besser gesagt: Es sollte sich entziehen.
Was etwa, wenn nach den nächsten oder übernächsten Nationalratswahlen tatsächlich Strache beim Bundespräsidenten vorstellig werden sollte und diesem miteilt, er, Strache, verfüge über eine belastbare und mit ihm als Kanzler zum Regieren entschlossene Mehrheit im Parlament? Und diese Mehrheit ist das Resultat freier und gleicher Wahlen.
Niemand könnte in einem solchen Fall den Bundespräsidenten, egal, wie er zu diesem Moment heißt, dazu zwingen, Strache zum Kanzler zu ernennen. Von der Verfassung her hat hier das Staatsoberhaupt völlig freie Hand, er könnte sogar irgendeine honorige Persönlichkeit ernennen, die nicht einmal zur Wahl gestanden haben muss. Andererseits ist schwer vorstellbar, dass ein Bundespräsident ein demokratisch zustande gekommenes Wahlergebnis ignoriert.
Was aber nun, wenn sich dieser Bundespräsident darauf beruft, dass er ja gerade mit dem poltischen Versprechen, einen Kanzler Strache zu verhindern von einer Mehrheit der Bürger direkt ins Amt gewählt wurde? Immerhin ein sehr, sehr starkes Mandat.
Beharrt nun eine Mehrheit des Nationalrats auf einem Kanzler Strache und bleibt auch der Bundespräsident in seiner Ablehnung standhaft, würde die Republik in eine veritable Krise schlittern.
Es gibt eben Fragen, die lassen sich nicht so einfach beantworten. Und schon gar nicht, wenn man sich dabei als Staatsoberhaupt bindet.