)
Werner Otti spielt seit mehr als 15 Jahren auf FPÖ-Veranstaltungen. Und fühlt sich deswegen gebrandmarkt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Jede Partei hat ihren Spitzenkandidaten. Ihren Mann fürs Grobe. Ihren Puppenspieler. Und sie hat ihren Tanzbären. Sein Auftrag ist klar definiert. Nicht anecken. Nicht polarisieren. Nicht politisieren. Nur unterhalten. Er hält die Basis bei Laune. Krault die verletzte Volksseele. Schafft ein bisschen heile Welt, wo sie längst nicht mehr ist. Und sei es nur für einen alkoholgeschwängerten Bierzeltmoment.
In der FPÖ heißt dieser Tanzbär Werner Otti. Seit mehr als 15 Jahren ist der Musiker ein fixer Bestandteil der freiheitlichen Politmaschinerie. Kein Wahlkampfauftakt, kein Volksfest, kein Jubiläum findet ohne den Kärntner statt. Er stimmt das blaue Wahlvolk ein, bis der wahre Frontmann auf die Bühne kommt. Volksnah, fröhlich und herzlich wirkt der 50-Jährige, wenn er seine Schlager und Oldies singt, die Augen dabei zusammenkneift, elvisähnlich mit den Hüften wackelt und zwischendurch die Menge animiert ihre rot-weiß-roten Fähnchen zu schwingen und so lange im Chor H.-C. zu rufen, bis FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache die Bühne betritt.
"Das, was ich mache, mache ich. Zu dem stehe ich. Ich lade alle ein, mich zu buchen. Ich grenze niemanden aus und will nicht hetzen. Ich mache meinen Job. Ich habe den H.-C. so weit persönlich kennengelernt, um zu sagen, dass er mir gut gefällt", sagt Werner Otti in einem Atemzug. Das Statement scheint er oft zu geben. Er nimmt einen Schluck von seinem Johannisbeersaft. Es ist 11 Uhr im Café Maximilian nahe der Votivkirche im 9. Bezirk. In fünf Stunden wird Werner Otti wieder auftreten für seinen wichtigsten Auftraggeber. 30 bis 50 Auftritte hat er pro Jahr. Knapp 10 für die FPÖ.
Er muss sich fürkeinen Sager entschuldigen
Es sind diese 10 Auftritte, für die sich Otti rechtfertigen muss. Er weiß um sein Image. Dass er als Straches Haus- und Hofmusiker gilt. Dass ihn manche für eine "Nazisau" halten. Das hat er schon einige Male gespürt, wenn Eier auf die Bühne geschleudert wurden, er bespuckt und beschimpft wurde. Und als ihn "Vermummte" nach seinem Auftritt auf dem Akademikerball in der Hofburg aus dem Taxi zerren wollten.
Er versteht diesen Hass nicht. Er ist kein Sprecher der Partei, auch nicht Mitglied. Er muss sich für keinen Sager, keinen Ausrutscher, kein fragwürdiges Vergangenheitsverständnis entschuldigen. Er ist Musiker. Ein Musiker im Dienste der freiheitlichen Partei. Mehr nicht. Die Rocklegende Bruce Springsteen hat schließlich auch für den US-Präsidenten Barack Obama gespielt, Mariah Carey für den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi und der junge Johannes Heesters vor Adolf Hitler, "dem Führer." Das sei doch auch alles kein Problem gewesen, meint Otti. Warum also bei ihm, wenn er bei ein paar Wahlkampfveranstaltungen der FPÖ für Stimmung sorgt?
"Die FPÖ ist eine politische Fraktion, die bei einer demokratischen Wahl ins Hohe Haus gewählt wurde. Das ist alles legitim", sagt Otti bestimmt und schüttelt den Kopf.
Missverstanden fühlt er sich. Gar gemobbt. Er erinnert sich an seine Kindheit. Als dreizehntes von 15 Kindern ist Werner Otti auf einem Bergbauernhof im Kärntner Görtschitztal aufgewachsen. Das Bild von den Großbauern hat er noch genau vor Augen. Als sie wie Feudalherren mit ihren Mercedes-Autos - inklusive Chauffeur - vorfuhren, während seine Eltern arbeiteten. Und er weiß noch, wie ihn die anderen Kinder in der Schule gehänselt haben, dafür, dass sich seine Familie beim Pfarrer und beim Lehrer nicht mit Speck und anderen Leckereien beliebt machen konnte. Das hat ihn geärgert. Vielleicht hat er sich deswegen später bei der Sozialistischen Jugend engagiert. Bei den Roten. Sie waren damals ja auf ihrer Seite, auf der der "drittklassigen" Bürger, auf die man drauftrat, obwohl sie schon längst am Boden lagen.
Damals war die FPÖ noch nicht Teil von Ottis Welt. Erst 1989. Es war ein gutes Jahr. 255 Konzerte haben sie damals gespielt. Er, seine zwei Brüder und sein Neffe, die "John Otti Band" - benannt nach dem älteren Bruder Johannes. Durch die ganze Welt sind sie getourt, traten in Montreal, New Orleans und Mallorca auf. Zurück in Kärnten wurde ein gewisser Jörg Haider auf die Brüder aufmerksam. Es gefiel dem späteren Landeshauptmann, wie die Ottis ihr Publikum im Griff hatten. Es sollte der Beginn einer langen Geschäftsbeziehung werden. Wirklichen Kontakt hatte Werner Otti zu Jörg Haider nie, hier ein "Servus" dort ein "Danke." Das war es.
Das gebrandmarkte FPÖ-Maskottchen
Mit Heinz-Christian Strache gibt es mehr Smalltalk. Werner Otti gefällt es, wie sich der FPÖ-Mann entwickelt hat. Reifer und staatsmännischer sei er geworden, nicht mehr so zornig wie früher. Auch mit seinen Aussagen kann sich Otti zunehmend identifizieren, wenn er beispielsweise in der aktuellen Flüchtlingsdebatte davon spricht, dass es "unsere Pflicht" sei, Kriegsflüchtlingen zu helfen, und gleichzeitig anmerkt, dass die meisten "Wirtschaftsflüchtlingen" seien. Otti versteht auch die Bedenken seiner Landsleute, wenn sie unter den Flüchtlingen den einen oder andern islamistischen Schläfer vermuten. Ebenso irritiert es ihn, dass so viele Männer ohne ihre Familien fliehen würden. "Wenn ich meine Frau und meine Kinder in einem Land habe, wo sie umgebracht werden könnten, gehe ich doch nicht weg und lasse sie zurück", sagt er. Es ist dieselbe Rhetorik, die der FPÖ-Chef bedient.
Otti hat selbst zwei Kinder. Er seufzt. "Mir tun die Menschen voll leid. Wenn ich mächtig wäre, würde ich allen Menschen helfen, aber die Welt geht immer mehr ins Arge", sagt er. Er macht sich so seine Gedanken um diese Welt. Er weiß, dass sie im Mainstream nicht gerne gehört werden, dass man ihn für einfältig hält, wenn er sagt, dass er nicht an die Evolution glaubt, für paranoid, wenn er gesteht, dass er ein Fan von Verschwörungstheorien ist, und für indoktriniert, wenn er für die FPÖ auftritt.
"Ich war nie ein politischer Künstler. Nur weil ich für die FPÖ spiele, bin ich ein politischer Künstler? Die anderen spielen doch auch auf dem Donauinselfest, das müssten dann ja auch alle politische Musiker sein", sagt er. Früher ist er auch bei anderen Parteien aufgetreten. Hier ein Dorffest für die ÖVP-Jugend, dort ein Ball für eine Bezirkssektion der SPÖ in Wien. Jetzt bucht ihn keine andere Partei mehr. "Wir sind Aussätzige", sagt er. Er lacht. Es klingt bitter. Vor vier Jahren wurde ihm wieder bewusst, wie sehr er als FPÖ-Maskottchen "gebrandmarkt" ist.
Damals trat er bei der ORF-Castingshow "Die Große Chance" auf. Er wurde gepriesen von der Jury. Bejubelt vom Publikum und schaffte es gar bis ins Finale. Auch Strache gab ihm Rückendeckung und mobilisierte seine Anhänger via SMS und Facebook, für Otti zu stimmen. Gebracht hat es nichts. Gewonnen hat eine andere Kandidatin. Dass das nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, davon ist Otti überzeugt: "Hätte ich gewonnen, wäre das ein Skandal gewesen", sagt er heute.
Selig schunkeltdas Publikum mit
Werner Otti hat mit dem Thema abgeschlossen. Er weiß, dass er es in seinem Leben zu einem gewissen Erfolg gebracht hat. Doch er weiß auch, woran man sich erinnern wird. Nicht an seine Auftritte in New Orleans, nicht an seine umjubelte Interpretation von "Va Pensiero" vor tausenden Fernsehzuschauern und auch nicht für seine neue Single für die Kärntner Krebshilfe.
Hat er sein Engagement für die FPÖ je bereut? "Du wirst von mir nicht hören, dass ich verleugne, was ich tue", sagt er. Dann muss er los. Ins Alpendorf in den Wiener Prater. Dort feiert die FPÖ. Um 16.30 Uhr ist Ottis Aufritt. Gelassen nimmt er im Backstage-Raum des künstlichen Alpendorfs Platz, stimmt seine Gitarre, zündet sich noch eine Zigarre an, bis er von Moderatorin Heidi auf die Bühne gebeten wird. Er beginnt mit der Wahlkampfhymne "Immer wieder Österreich". Vor ein paar Wochen hat er sie für die FPÖ eingesungen. Schon vor einem Jahr hat er für die Partei das Lied "Liebe ist sein Weg", eine Hommage an Heinz-Christian Strache, komponiert. Das Lied darf Otti heute nicht mehr spielen. Zu sehr erinnerten einige Noten den Konzern Universal Music an den Hit "Run" der britischen Rockband Snowpatrol.
Bei der neuen Hymne gibt es keine Probleme. Den Refrain können die meisten Männer und Frauen im Publikum bereits auswendig. Sie strahlen Otti an. Vielen kennen ihn, mindestens schon so lange wie Strache, wenn nicht sogar länger. Sie sind berührt. Sie fühlen sich aufgehoben von Otti. Mit ihrem Weltbild. Mit ihren Ängsten. Mit ihren Aussagen. "Ihr seid umwerfend", ruft Werner Otti ihnen immer wieder zu. Selig schunkeln sie weiter. Eineinhalb Stunden wird er für sie die Welt anhalten. So lange, bis Heinz-Christian Strache auf die Bühne kommt. Mit ihm singt Otti noch einmal den Refrain der neuen Hymne. Danach gehört die Bühne ganz und gar dem FPÖ-Obmann. Werner Otti kann gehen. Der Tanzbär hat seinen Auftrag erfüllt.