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Strafe für Jugendkult in Firmen?

Von Clemens Neuhold

Politik

Arbeiterkammer fordert "Malus" für Firmen, die kaum Ältere beschäftigen.


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Wien. Fast 400.000 Menschen starteten ohne Job und ohne rosige Aussichten ins Neue Jahr. Denn die Arbeitslosigkeit steigt derzeit wieder stark an.

Mit einem Zuwachs von fast zehn Prozent waren Menschen über 50 Jahren besonders betroffen - 71.000 Menschen suchen in dieser Altersgruppe derzeit einen Job. Unter es wird noch ungemütlicher für sie, weil der Ausweg in die Frühpension erschwert wird. Sowohl der Zugang zur Invaliditätspension (für Jahrgänge ab 1964) als auch jener zur "Korridorpension" wird erschwert; künftig braucht es dafür 40 Versicherungsjahre.

Die Arbeiterkammer (AK) fordert deswegen "Malusanreize" für Firmen, die - gemessen am Durchschnitt der Branche - auffällig viele Junge und wenig Ältere beschäftigen. Der Malus soll ein höherer Firmenbeitrag zur Arbeitslosenversicherung sein, der derzeit 1,5 Prozent des Bruttolohnes beträgt, erklärt AK-Experte Josef Wallner. Damit könnten die höheren Ausgaben für ältere Arbeitslose kompensiert werden.

Verpflichtende Quotefür reifere Mitarbeiter

Vereinfacht gesprochen geht es um Strafzahlungen für Firmen, die kaum ältere Mitarbeiter beschäftigen und eine branchenspezifische Quote für Ältere. Wallner verweist auf Modelle in Finnland und Schweden, an denen man sich orientieren könne. "Ein über 50-Jähriger hat in Österreich praktisch null Chance auf einen neuen Job. Da braucht er einen Glückstreffer wie im Lotto." Mit sanftem Druck auf Firmen käme man nicht mehr weiter, da die Bevölkerung altere, das Einstellungsverhalten der Firmen sich aber wenig geändert habe. AMS-Chef Johannes Kopf meint dazu: "Man kann darüber diskutieren. Generell finde ich Anreize aber sympathischer als Strafen." Besonders in Saisonbranchen sieht er Schwierigkeiten für so ein Modell. "In einen Tourismusbetrieb zieht es vielleicht eher Angestellte, die noch keine Kinder haben. Das muss man gut überlegen."

Warten, bis den Firmen die Jungen "ausgehen"?

Kopf glaubt, dass die Betriebe bereits umdenken. "Die Gesellschaft wird immer älter. Die Firmen werden einfach nicht mehr so viele junge Bewerber finden. Deswegen werden Firmen dazu übergehen, Arbeitsplätze neu zu organisieren." Das AMS will 2013 einen Schwerpunkt auf die Vermittlung älterer Arbeitnehmer setzen und das Bewusstsein der Firmen für ältere Mitarbeiter stärken. Es gehe darum, den Firmen "die Zweifel an der Leistungsfähigkeit" älterer Bewerber zu nehmen und andererseits Arbeitnehmer mit gesundheitlicher Beeinträchtigung rechtzeitig umzuschulen, meint Kopf.

Entweder super fit oder "Danke, der Nächste"

Die Betroffenen selbst haben von einem Bewusstseinswandel in den Firmenetagen offenbar noch wenig mitbekommen. Bei einer Umfrage der Arbeiterkammer Oberösterreich Ende November gaben rund 70 Prozent der Befragten über 45 an, dass sie in ihrem Alter keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt sehen. 82 Prozent der Befragten gaben an, dass das Bewerbungsgespräch beendet sei, sobald gesundheitliche Probleme zur Sprache kämen.

Wie schwach Österreich bei der Beschäftigung von älteren Menschen ist, zeigt ein Vergleich der OECD, die westliche Industrieländer ökonomisch vergleicht. Nach ihrer Untersuchung arbeiten in Österreich nur 20 Prozent der über 60-Jährigen; in den anderen 21 untersuchten Industrieländern sind es 40 Prozent. Das liegt natürlich auch an der "Frühpensionitis", aber die wird nun zunehmend eingedämmt. Die Zahl älterer Arbeitsloser könnte also noch stärker steigen, wenn die Firmen nicht rasch umdenken.

Die Vertreter der Firmen, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, wollen von Strafzahlungen für ihre Mitglieder nichts wissen.

Arbeitsmarktausblick 2013

AMS-Chef Johannes Kopf hat eine traurige und eine frohe Botschaft für 2013. Die traurige: Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen, um bis zu 15.000 Betroffene. Eine Trendwende, die zu sinkenden Arbeitslosenzahlen führt, erwartet er frühestens ab Mitte 2014. Die frohe Botschaft: Österreich wird seinen Platz als Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit in der ganzen EU auch 2013 verteidigen.

Keine "Schlacht um Arbeit"

Trotz der bald 400.000 Arbeitslosen sieht Kopf keinen Grund, eine "Schlacht um Arbeit" auszurufen, wie es der sozialistische Präsident Francois Hollande jüngst getan hat. Hollande will 100.000 zusätzliche Jobs für junge Franzosen. "Natürlich kann ich mit viel Geld die Arbeitslosigkeit senken. Aber das ist nicht nachhaltig. Die Jobs sind zu 90 Prozent in der Verwaltung. Ohne Förderung sind sie wieder weg." Die Leute müssten aber in der "wirklichen Wirtschaft" einen Job bekommen, sagt Kopf.

Damit möglichst wenige Österreicher ihren Job in der "wirklichen Wirtschaft" verlieren, wird es auch 2013 wieder Kurzarbeit geben. Diese Alternative zur Kündigung haben am Höhepunkt der Krise bis zu 60.000 Menschen in Anspruch genommen, heuer könnten es bis zu 10.000 sein.

Sorgen bereitet Kopf, dass die Zahl der Jungen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben - darunter sehr viele Migranten - nicht sinkt. Von dieser Gruppe sind 18 Prozent ohne Job.