Elternvertreter sind von neuen Sanktionen und der Überwachung der Bildungskarriere nicht überzeugt.
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Wien. Da ist von "Schnellschüssen", von nicht "nachvollziehbaren Schlussfolgerungen", sogar vom "nochmals erhöhten Druck, der den Kochtopf zum Explodieren bringen könnte" die Rede, aber auch von möglicherweise "hohem Verwaltungsaufwand für den Schuss vor den Bug."
Es ist ein Auszug den Einschätzungen von Vertretern der Eltern, Kinder und Bildungspsychologie in Gesprächen mit der "Wiener Zeitung" zu den Sanktionen, die ÖVP und FPÖ für Eltern vorsehen, wenn sie nicht für die erfolgreiche Bildungskarriere ihres Nachwuchses sorgen. Konkret geht es um die geplante "Bindung der Sozialleistungen an die Einhaltung von (schul)gesetzlichen Verpflichtungen", die "Sanktionen bei Sozial- und Transferleistungen für Eltern und Erziehungsberechtigte im Fall einer Missachtung von Aufgaben und Pflichten" und die "Verschärfungen der Bestimmung zur Ahndung von Schulpflichtverletzungen."
Strafen sorgennicht für mehr Motivation
Manche Elternvertreter wie Gernot Schreyer, Präsident des Bundesverbands der Elternvereine an den mittleren und höheren Schulen Österreichs, können sich mit solchen Sanktionen durchaus anfreunden: "Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Eltern bewusst wird, dass sie für die Bildung ihrer Kinder verantwortlich sind."
Genau das aber bezweifelt Christiane Spiel, Bildungspsychologin an der Universität Wien. "Denn welche Eltern treffen solche Sanktionen? Das sind jene, die selbst eine niedrige Ausbildung haben, die zum Teil auch nicht gut Deutsch können, die also gar nicht in der Lage sind, ihre Kinder in der Schule zu unterstützen", sagt Spiel. Schule habe die Aufgabe, für einen Ausgleich zu sorgen, Benachteiligte zu unterstützen, schließlich sei das Ziel von Schule, für "viele Menschen mit guter Ausbildung zu sorgen": "Da braucht es eher Motivationsförderung statt Strafen."
Beim Dachverband der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen schrillen sogar die "Alarmglocken" angesichts von "Strafen für Eltern anstelle von Mitgestaltungsrechten, die anscheinend ersatzlos gestrichen werden". Der Vorsitzende Karl Dwulit sagt: "Strafen werden nicht zum erhöhten Lernerfolg der Kinder, sondern uns in düstere Zeiten zurückführen, wo der Spaß am Lernen verloren geht."
Er sieht ein strenges, strafendes Schulsystem, wo mit Druck auf Eltern und Kinder für den Lernerfolg gesorgt werden soll, beinahe wie im Mittelalter heraufziehen. Druck, den man in den vergangenen Jahren aus der Schule rausnehmen habe wollen. Die mündliche Beurteilung statt Noten für jüngere Kinder war für Dwulit ein Beispiel dafür. Noten für Kinder ab der ersten Klasse sind nun ebenfalls wieder geplant.
Sozial schwächere Haushalte eher betroffen
Dwulit sieht die Problematik von Schulschwänzern und mangelnder Betreuung vor allem in sozial schwächeren Haushalten. "Hohe Bußgelder für Eltern sorgen für eine noch prekärere Situation in solchen Familien. Sie erzeugen weiter Druck, den sie an ihre Kinder weitergeben und der die Situation in solchen Familien eher zum Explodieren bringt." Und: "Druck, der ganz sicher nicht zum konzentrierten, gemeinsamen Lernen führt."
Auch Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits stellt fest: "Solche Strafen können sich reiche Eltern leichter leisten als Arme. Das ist ein weiterer Schritt zur Ausdifferenzierung der Schüler statt gleicher Chancen." Sie fragt sich außerdem: "Warum setzt man nicht mehr auf Prävention?" Man müsse sich auf die Suche nach den Ursachen machen, ob es beispielsweise Mobbing an der Schule gibt, und nicht die letzte Auswirkung schulischer Probleme wie Schwänzen bestrafen.
Außerdem gibt es für Eltern bereits Strafen: Seit Juli gibt es das Ausbildungspflichtgesetz bis zum Alter von 18 Jahren. Für Erziehungsberechtigte, die "schuldhaft" dagegen verstoßen, also nicht dafür Sorge tragen, dass ihr Nachwuchs auch nach der Schulpflicht eine Ausbildung absolviert, drohen dann Verwaltungsstrafen: im Erstfall 100 bis 500 Euro, im Wiederholungsfall 200 bis 1000 Euro. Und im Gesetz zur Schulpflicht ist ein fünfstufiger Sanktionsplan für Eltern vorgesehen, mit Verwaltungsstrafen von bis zu 400 Euro für das Schulschwänzen der Kinder.