So wie Tschechiens Präsident sein Land ins Out manövriert hat, verdient er fast Anerkennung. Jetzt soll er den EU-Reformvertrag unterschreiben - und als "Mahner und Warner" geehrt werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die EU jubelt über das Ja der Iren zum Lissabonner Vertrag und macht gegen die letzte Bastion der Europa-Feinde mobil: gegen den tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus. Dessen Schreibhemmung ist nach dem irischen Votum noch immer nicht beseitigt.
Klaus hat sich und Tschechien mit seiner Fundamentalkritik an den europäischen Institutionen in eine Sackgasse manövriert. Realpolitisch bleibt dem Staatschef gar nichts anderes übrig, als seine Unterschrift unter ein verfassungsgemäß zustande gekommenes Abkommen zu setzen. Je länger er sich ziert, desto peinlicher wird es. Es wäre sogar des Versuchs wert, den Lissabon-Vertrag ohne die Unterschrift des Präsidenten passieren zu lassen. So etwas hat es in Tschechien schon gegeben.
Mildernde Umstände für Klaus sind ins Treffen zu führen. Erstens einmal lassen sich in seinen unfreundlichen Erklärungen über die EU auch Passagen finden, die für sich betrachtet Lehrreiches enthalten. "Zwischen den Bürgern und den Repräsentanten der EU existiert ein Abstand, und das nicht nur im geografischen Sinn, der wesentlich größer ist als innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten", sagte er am 19. Februar bei seiner Ansprache im Europaparlament. Damit hat er ja ziemlich recht, und die EU-Bürokratie wird sich in den nächsten Jahren heftig bemühen müssen, diese nicht-geografische Distanz im Europabewusstsein zu verringern.
Zweitens wurde die zweite Volksabstimmung, in der sich die Iren nun noch deutlicher zu Europa und seinem verfassungsähnlichen Grundlagenvertrag bekannt haben als die Österreicher beim Beitritt 1995, ausgerechnet während der tschechischen Ratspräsidentschaft vorbereitet und beschlossen. Man muss überhaupt anerkennen, dass die EU lernt, mit der bis an die Narretei rührenden Vielfalt ihrer Mitglieder gelassen umzugehen.
Polen ist als erklärter Widersacher bereits ausgeschieden, seit sich die subversive Potenz des Zwillingspaares Kaczynski mit der Wahlniederlage des Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski auf 50 Prozent reduziert hat. Die Iren wurden mit Beruhigungspillen in punkto Abtreibung und Neutralität auf die europäische Seite gebracht. Und im ersten Halbjahr 2009 überstand Europa sogar den tschechischen Vorsitz.
Es soll nicht in den offenen Wunden des außenpolitischen Ansehens der tschechischen Nachbarn gebohrt werden. Aber die eigene Regierung noch vor der Halbzeit der Präsidentschaft in die Luft zu jagen und dann nicht einmal fähig zu sein, das Parlament für Neuwahlen aufzulösen, war schon eine exklusive Leistung der Tschechen. So wie Prag auch in anderer Beziehung herausstach, etwa wenn der inzwischen gestürzte Ministerpräsident Mirek Topolanek das Wirtschaftsprogramm des US-Präsidenten Barack Obama als "Weg zur Hölle" betitelte.
Schwamm drüber, Vaclav Klaus wird irgendwann doch den soliden Schlusspunkt hinter einer Affäre setzen, die hernach eine typisch europäische Affäre gewesen sein wird. Die Gemeinschaft hat sich seit ihrer Gründung von einer Krise zur nächsten gehantelt - und ist immer kräftiger geworden. Anerkennung also für Klaus, aber erst, sobald die Tinte seiner Füllfeder unter dem Lissabonner Vertrag zu trocknen beginnt. Er hat nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass der EU noch vieles fehlt, bis sie vollkommen sein wird.
Und so gesehen darf er ganz Europa hinter sich versammeln.