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Der Umgang mit jungen Straftätern stellt die Justiz vor Probleme. Gerade die 19- bis 24-Jährigen verüben besonders viele Delikte. Während die einen nach härteren Strafen rufen, wollen die anderen die Bestimmungen des Jugendstrafrechts auch auf die Heranwachsenden ausweiten.
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Der Grazer Universitätsprofessor und Gerichtspsychiater Peter Hofmann attestiert eine "extreme Häufung strafrechtlicher Delikte" in der Jugend bis hin zum 30. Lebensjahr. Die Gründe hierfür sieht er u. a. in der "unendlich langen Berufsausbildung" und der späten Übernahme von Verantwortung. Hofmann: "Früher wurden die Kinder zur Arbeit heran gezogen und damit in eine gewisse Verantwortlichkeit hineingebettet". Junge Leute heute seien nur scheinbar erwachsen, blieben aber in Wahrheit länger von Eltern oder Institutionen abhängig, meint Univ.-Prof. Heribert Ostendorf von der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Aber wie der Heranwachsenden-Kriminalität begegnen? Grundsätzlich gibt es drei Lösungsansätze. Entweder die 19 bis 21-Jährigen insgesamt dem Jugendstrafrecht unterwerfen, sie wie Erwachsene behandeln, oder aber sie überhaupt einer speziellen Behandlung unterziehen.
Letzteres geschah zuletzt in Österreich, als im Zuge der Herabsetzung der zivilrechtlichen Volljährigkeit auf 18 Jahre auch die Höchstgrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts auf 18 Jahre herabgesetzt wurde. Begleitend dazu wurden die 19 bis 21-Jährigen der Jurisdiktion der Jugendrichter unterworfen. Angewandt wird ein adaptiertes Erwachsenenstrafrecht mit halbierten Höchststrafen.
Im europäischen Kontext zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Sowohl Strafmündigkeit (das ist jenes Alter, ab dem die strafrechtliche Verantwortung einsetzt), als auch strafrechtliche Volljährigkeit (das Alter, ab dem Erwachsenen-Strafrecht angewendet wird), divergieren. Rund die Hälfte der europäischen Staaten kennt Sonderbestimmungen für 19 bis 21-Jährige. Andere Staaten setzen die strafrechtliche Volljährigkeit mit 15 (Türkei), 16 (Spanien) oder (mehrheitlich) mit 18 Jahren fest.
Deutschland verfügt über fast 50 Jahre Erfahrung mit dem Heranwachsenden-Strafrecht: §105 des deutschen Jugendgerichtsgesetzes, überlässt es den Richtern, auf Täter vom 19. bis zum 21. Lebensjahr entweder Erwachsenen- oder aber Jugendstrafrecht anzuwenden.
Für diese Entscheidung ist maßgeblich, ob der Täter "zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand". Diese Lösung, die auch von Norbert Gerstberger, dem Obmann der Fachgruppe Jugendrichter in der Richtervereinigung favorisiert wird, hat allerdings Schattenseiten: So wird das richterliche Ermessen im deutschen Bundesgebiet regional höchst unterschiedlich gehandhabt: Im milden Norden, landen 92,7 Prozent (Schleswig-Holstein) der jungen Erwachsenen vor dem Jugendrichter. Im strengen Süden sind die Heranwachsenden offenbar reifer: In Bayern kommen 56 Prozent, in Baden Württemberg sogar nur 44,4 Prozent vors Jugendgericht. Um diesen Zustand zu beenden, spricht sich Ostendorf dafür aus, das Jugendstrafrecht generell für Heranwachsende heranzuziehen. Der Kreis der Heranwachsenden sollte - so votierte auch jüngst der deutsche Juristentag - bis zum Alter von 24 Jahren erweitert werden.
Generell bringen die Bestimmungen des Jugendstrafrechts Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs, Erziehungs- oder Therapiemaßnahmen für die Täter und kürzere Haft. "Nachsicht ist nicht nur ein Akt der Humanität, sondern ein Akt kriminalpolitischer Klugheit, um den Täter von einer Wiederholung abzuhalten", betont Ostendorf.