Zum Hauptinhalt springen

"Strafverschärfung ist wenig hilfreich"

Von Petra Tempfer

Politik

Strengere Strafen für Delikte gegen Leib und Leben, mildere für Vermögensdelikte: Das Strafgesetzbuch wird entrümpelt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Eine Verjüngungskur zum 40. Geburtstag, das hatte die damalige Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) im Jahr 2013 für das Strafgesetzbuch (StGB) geplant. Seit der Einführung am 1. Jänner 1975 ist dieses nicht mehr umfassend reformiert worden. Nun ist es offenbar so weit. Die StGB-Reform soll nächste Woche in Begutachtung gehen.

Abhängig sei das allerdings vom Koalitionspartner SPÖ, sagte eine Sprecherin von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) am Montag auf APA-Anfrage. Feststeht wohl, dass Delikte gegen Leib und Leben strenger und Vermögensdelikte milder bestraft werden sollen. Grundsätzlich soll das Gesetzbuch überarbeitet und entrümpelt werden.

"Was Opfer wirklich wollen, ist Schadensersatz"

Dass diese Form der Erneuerung eine durchwegs positive ist, bezweifelt allerdings die Strafrechtsprofessorin Lyane Sautner von der Johannes Kepler Universität Linz. Sie glaubt nicht, dass höhere Strafdrohungen die Zahl der Täter schrumpfen lassen. "Viel eher als die Strafdrohung dürfte noch die Entdeckungswahrscheinlichkeit abschreckend wirken", sagt Sautner zur "Wiener Zeitung".

Auch im Interesse der Opfer sei eine Strafverschärfung wenig hilfreich. Studien zufolge liegen die Zustimmungswerte von Opfern zu Geld- und Freiheitsstrafen zum Teil deutlich unter 20 Prozent. Viel eher, so Sautner, könnten sich Betroffene die Verurteilung des Täters zu einer Wiedergutmachungsstrafe oder andere Reaktionen (etwa eine Therapie für Sexualstraftäter) vorstellen.

Vor allem Opfer von Vermögensdelikten seien nicht wirklich an strengen Strafen interessiert. "Was diese Opfer wirklich wollen, ist Schadensersatz", sagt Sautner. Die im Zuge der StGB-Reform kolportierten milderen Strafen für Vermögensdelikte seien daher grundsätzlich sinnvoll. "Das würde zu einem angemesseneren Verhältnis der Strafrahmen der Vermögensdelikte einerseits und jener der Delikte gegen Leib und Leben andererseits führen."

Geht man ins Detail, gibt es aber auch hier Grund für Kritik: Konkret soll die sogenannte zweite Wertgrenze bei Vermögensdelikten (die Wertgrenzen beeinflussen die Strafdrohung) deutlich angehoben werden, und zwar von 50.000 auf kolportierte 300.000 Euro. Die erste Wertgrenze soll künftig bei 5000 liegen, derzeit sind es 3000 Euro. Sautner zufolge würde das nun Täter von Vermögensdelikten mit einem großen, jedoch unterhalb 300.000 Euro liegenden Schaden unangemessen gegenüber Klein- und Mittelkriminellen bevorzugen.

Therapie statt Strafe bei Drogendelikten

Die Einführung des neuen Tatbestandes des Cybermobbings hält Sautner indes für "durchaus sinnvoll". Die Expertengruppe, die noch von Karl mit der Erarbeitung der Reform beauftragt worden war, hatte diese vorgeschlagen. Zudem sollen der Landfriedensbruch und die Verhetzung präzisiert werden, und Tierquälerei soll strenger geahndet werden. Außerdem will man die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und die Zwangsverheiratung sanktionieren. Bei Drogendelikten soll es eine Forcierung des seit Jahrzehnten verfolgten Prinzips "Therapie statt Strafe" geben.

Jetzt sei erst einmal eine mindestens sechswöchige Begutachtungsfrist geplant, hieß es aus dem Ministerium. Der Zeitpunkt der Beschlussfassung im Parlament sei noch offen. Mit 1. Jänner 2016 soll die Reform in Kraft treten.