Die Gelben, sprich: FDP, so stark wie noch nie, die CDU mit einem blauen Auge davon gekommen, blauer Himmel für die Grünen und die Linkspartei: Trotz des traurigen Winterwetters war der Wahlsonntag in Hessen für fast alle Parteien ein Sonnentag. | Nur nicht für die SPD, die in ihrer einstigen Hochburg auf den historischen Tiefststand von unter 24 Prozent absackte. Sie wurde dafür abgestraft, dass sie ihr apodiktisches Wahlversprechen, nicht mit der Linken zu koalieren, dreist gebrochen hatte - und dann nicht in der Lage war, den Politikwechsel zu organisieren. Solcher Opportunismus vertreibt den treuesten Wähler, und zwar vor allem in den Schmollwinkel: Mehr als 200.000 Hessen, die im Vorjahr SPD gewählt hatten, blieben nun der Wahl fern.
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Dass Andrea Ypsilanti sofort nach den desaströsen Hochrechnungen von Fraktions- und Parteivorsitz zurücktrat und als Nachfolger ihren Vasallen Thorsten Schäfer-Gümbel vorschlug, kann angesichts des Wahlresultats kaum noch als noble Geste gewürdigt werden, es war zwingend geworden.
Am Beginn des Superwahljahres, dessen Höhepunkt die Bundestagswahl im Herbst sein wird, interessiert vor allem der bundespolitische Hintergrund, auch wenn sich der hessische Wähler vor allem aus der unklaren Regierungssituation in Wiesbaden befreien wollte. Dabei stehen folgende fünf Aspekte vorne:
* Deutschland wird sich auch im Westen dauerhaft auf ein Fünf-Parteiensystem (Union, SPD, FDP, Grüne und Linke) einstellen müssen, gelang doch der Lafontaine-Truppe (Linke) der Wiedereinzug in den hessischen Landtag.
* Legt man das hessische Wahlergebnis zugrunde, käme die Union gemeinsam mit ihrem Wunschpartner FDP im Bund auf eine satte Regierungsmehrheit von rund 54 Prozent.
* Eine bürgerliche Mehrheit aus Union und FDP scheint also auch in dieser Konstellation immerhin möglich.
* Ohne FDP geht schon jetzt nichts mehr - die große Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten hat ihre Mehrheit im Bundesrat verloren, während die Liberalen eine Sperrminorität gewonnen haben.
* Rot-Grün allein hat keine Mehrheit. In Hessen ist die CDU trotz ihres blamablen Wahlergebnisses allein stärker als SPD und Grüne zusammen.
Keine leichte Aufgabe für das SPD-Duo Franz Müntefering und Frank Walter Steinmeier. Doch zeichnen sich bereits die Umrisse von Münteferings Wahlstrategie ab: Je näher die bürgerlichen Parteien rücken, desto stärker wird er auf den "Turbokapitalismus" einprügeln.
Die Horrormeldungen vom Arbeitsmarkt werden ihm ermöglichen, die Lücke zu füllen, die bisher die Linke innerer Querelen wegen nicht nutzen konnte: Die globale Krise der Marktwirtschaft anzuprangern und die Epoche der "sozialen Moderne" (Müntefering) zu propagieren.