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Straßenrowdies oder Weltverbesserer? Radfahren zwischen Wut und Wissen

Von Christian Rösner

Analysen

"Die Radfahrer halten den Verkehr auf, sie schauen nicht auf die Fußgänger, missachten die Verkehrsregeln, die Ständer nehmen den Autofahrern immer mehr Parkplätze weg, sie gefährden sich und andere, es sollte Nummerntaferln für sie geben, damit sie nach Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden können" - das waren die Worte, die dem Autor entgegenprasselten, als er zufällig einen Bekannten auf dem Weg in die Redaktion traf.


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Anlass war die Erwähnung der kurz davor besuchten Pressekonferenz, in der die Wiener Vizebürgermeisterin eigene Fahrradstraßen für die Stadt angekündigt hatte. Dort wurde freilich ein anderes Bild der Radfahrerklientel gezeichnet - "mehr Radfahrer heißt besserer Umgang untereinander, mehr Sicherheit im Straßenverkehr, weniger Spritverbrauch, weniger Abgase, weniger Staus, weniger Unfälle und bessere Gesundheit durch körperliche Bewegung".

Dass es sich bei Ersterwähntem um einen Autofahrer handelt, scheint nicht zu verwundern - dass bei der Pressekonferenz aus der Sicht der Radfahrer gesprochen wurde, ebenso wenig.

Die Frage ist allerdings, ob es tatsächlich eine Frage der Perspektive ist zu entscheiden, ob der Radverkehr in der Stadt unterstützt werden soll oder nicht - und zwar vor dem Hintergrund wachsender Städte und der damit einhergehenden Zunahme des Verkehrsaufkommens. Vor dem Hintergrund des immer größer werdenden Feinstaubproblems auf der einen Seite und der ständig steigenden Benzinpreise auf der anderen Seite.

Studien anderer europäischer Städte belegen, dass mit der Zunahme des Radverkehrs die Unfallzahlen zurückgehen. Einer anderen Studie zufolge ärgert jeden dritten Autofahrer das Verhalten von Radfahrern im Straßenverkehr.

Diese Perspektiven als Beispiel genommen und aus einer Metaposition betrachtet, können eigentlich gar nicht miteinander verglichen werden, da sie sich auf völlig unterschiedlichen Ebenen abspielen. Auf der einen Seite steht die emotionale, auf die eigenen Interessen ausgerichtete Ebene, auf der anderen die rationale, auf Gemeinschaftsinteressen ausgerichtete.

Wie bei vielen anderen (Streit-)Themen steht hier Emotion vor Inhalt. Wenn man bedenkt, dass 40 Prozent der Radfahrer wissen, dass das Nebeneinanderfahren von Rennrädern zu Trainingszwecken erlaubt ist und 75 Prozent der Autofahrer nicht, dann wird das Konfliktpotenzial deutlich. Wenn man bedenkt, dass laut Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr seit 1990 um 83 Prozent zugenommen haben, dann wird das Weltverbesserungsmotiv deutlich.

Wien bekommt eigene Radstraßen