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Strategie der "bestialischen Grausamkeit"

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".
© privat

Der islamistische Terror setzt Europa unter Schock, entzaubert aber die Angstmache mit drohender "Islamisierung".


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Ende des Jahres 2015 lösten islamistische Terroristen in Europa urplötzlich einen Tsunami an Gewalttaten aus und stürzten den Kontinent in Schock. Europa fühlte sich sicher, weil ein Jahrzehnt lang so gut wie nichts passiert war - seit dem konzertierten Anschlag 2004 auf vier Pendlerzüge in Madrid mit 191 Toten und dem Attentat 2005 auf die Londoner U-Bahn mit 56 Toten.

Nun aber haben islamistische Terroristen binnen eineinhalb Jahren 58 Anschläge in Europa verübt, darunter 17 schwere in Brüssel, Paris, London, Berlin, Nizza, Istanbul und Manchester, denen 290 Menschen zum Opfer fielen. 103 Tote gehen aufs Kerbholz islamistischer Selbstmordattentäter. Das legt die Strategie des islamistischen Terrors in Europa offen: Maximieren der Opfer unter Zivilisten, um der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass die Staatsmacht der "Ungläubigen" keinen Schutz biete. Islamistische Attentäter töten in Europa friedliche Zivilisten und verstoßen damit krass gegen Allahs Befehl: "Wenn jemand einen Menschen tötet, ohne dass dieser einen Mord begangen oder im Land Unheil angerichtet hätte, dann ist das so, als hätte er die ganze Menschheit getötet", heißt es im Koran (Sure 5, 32).

Bezeichnend ist ein IS-Aufruf an alle Muslime, jetzt während des Fastenmonats Ramadan die "Kreuzritter" mit Waffen, Lastwagen und Messern anzugreifen. Das hat Gewicht, denn der IS besteht aus Sunniten, der großen Mehrheit im Islam. Zudem verfolgt er eine terroristische Strategie gemäß dem Manifest "Management bestialischer Grausamkeit". Dieses Konzept will die "von Natur aus rebellische Jugend" zu Terrorakten gegen Schiiten, Christen und Kurden motivieren. Das soll die Fähigkeit "feindlicher Staaten" überfordern, alle potenziellen Ziele der Islamisten zu schützen.

Alle erfolgreichen Revolutionäre von Lenin über Mao Zedong, Tito, Ho Chi Minh oder Grivas bis Castro hielten sich an die Drei-Phasen-Strategie: 1. Eine plakative "Kristallisationsparole" soll das Volk zum Widerstand gegen gesellschaftliche Missstände gewinnen; 2. Organisation dieses Widerstands durch Revolutionäre, damit sie im Volk untertauchen und versorgt werden können; 3. Militarisierung durch Terror gegen Repräsentanten des bestehenden Regimes und zunehmend verschärfte Guerilla bis zur Bildung regulärer Einheiten zum Sturz des Regimes.

Die deutsche Baader-Meinhof-Bande, die italienischen Rotbrigadisten oder die lateinamerikanischen "Stadtguerillas" scheiterten kläglich, weil sie sich auf Terror beschränkten und davon träumten, dass Terror einen allgemeinen Aufstand auslöse. Gleiches gilt für die islamistischen Terroristen in Europa. Es fehlen gesellschaftliche Missstände, um die Bevölkerung zu mobilisieren. Also verlegen sie sich auf "bestialische Grausamkeit", die fast ausnahmslos die Bevölkerung trifft. Trotzdem agitieren Europas Rechtspopulisten mit der Angstparole, Europa drohe die "Islamisierung". Logik und Hausverstand gebieten nachdrücklich, die große friedfertige Mehrheit der Muslime nicht mit islamistischen Terroristen gleichzusetzen.

Also macht sich Donald Trump mit seinem Einreisestopp für Bürger von mehrheitlich islamischen Ländern als Mittel gegen islamistischen Terror wieder einmal lächerlich.