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New York. Nach der Freilassung aus der Untersuchungshaft muss sich der wegen versuchter Vergewaltigung beschuldigte frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn auf ein Strafverfahren einstellen, das ihn Millionen Dollar kosten könnte.
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Allein die vom Gericht angeordnete Bewachung im New Yorker Hausarrest kostet geschätzte 200.000 Dollar (140.479 Euro) pro Monat, dazu kommen Ausgaben für Verteidigung, PR-Mitarbeiter und Detektive.
Strauss-Kahn war am Wochenende gegen die Zahlung einer millionenschweren Kaution aus der U-Haft entlassen worden. Er bezog ein Apartment in Manhattan. Dort will er einige Tage bleiben, bis eine dauerhaftere Bleibe gefunden ist. Den Auflagen des Gerichts zufolge darf Strauss-Kahn die Wohnung nur für Gerichtstermine, für Treffen mit seinen Anwälten sowie für Arztbesuche oder wöchentliche Gottesdienste verlassen. Von 22.00 bis 06.00 Uhr darf Strauss-Kahn die Wohnung gar nicht verlassen. Besuch darf er nur nach Einwilligung der Justiz empfangen. Der nächste Gerichtstermin ist am 6. Juni, bis zum Prozessbeginn könnten noch sechs Monate vergehen.
Schon kurz nach der Haftentlassung war die Adresse Strauss-Kahns bekannt geworden. Vor dem Gebäude fuhren Sendewagen der Medien auf. Zahlreiche Journalisten warteten auf der Straße, um einen Blick auf den Mann zu erhaschen, der noch vor einer guten Woche zu den mächtigsten der Welt gehört hatte. So mancher neue Nachbar zeigte sich wenig erbaut: "Mir gefällt das nicht", sagte der 29-jährige Ian Horovitz. "Ich mag den ganzen Wirbel und die vielen Menschen vor der Tür überhaupt nicht." Wegen des Medienspektakels war die Anmietung einer ersten Wohnung in der Upper East Side durchgefallen.
Die Anwälte bemühten sich nicht nur vor Gericht um die Verteidigung ihres Klienten. Sie nahmen informellen Kontakt zur PR-Firma TD International in Washington auf, wie aus Kreisen verlautete. Aufgabe der von ehemaligen CIA-Mitarbeitern und früheren US-Diplomaten geleiteten Firma solle sein, beim Krisenmanagement zu helfen. Die französische Zeitung "Le Monde" berichtete, Strauss-Kahns Anwälte hätten auch die Privatdetektei Guidepost Solutions eingeschaltet. Für das weltweit tätige Unternehmen sind unter anderem frühere US-Staatsanwälte und US-Geheimdienstler tätig.
In Frankreich beklagten Feministinnen eine Zunahme frauenfeindlicher Äußerungen in der Öffentlichkeit seit der Festnahme Strauss-Kahns. Der Ex-IWF-Chef und dessen Freunde hätten die Leiden des mutmaßlichen Opfers heruntergespielt. Es gebe seither deutlich mehr sexistische und reaktionäre Reflexe in der französischen Elite, erklärten Frauengruppen. So hatte der ehemalige Kulturminister Jack Lang erklärt, Strauss-Kahn hätte schon längst freigelassen werden müssen, da ja schließlich "niemand gestorben ist".
Unterdessen kristallisiert sich die französische Finanzministerin Christine Lagarde immer mehr als Favoritin im Rennen um Strauss-Kahns Nachfolge heraus. So erklärte am Samstag auch der britische Finanzminister George Osborne, dass Lagarde eine "herausragende Kandidatin" für den IWF-Chefposten sei. Deshalb werde Großbritannien sie unterstützen. Finanzministerin Maria Fekter (V) lobte ihre französische Kollegin im ORF-Radio ebenfalls als "sehr kompetente Persönlichkeit". Für sie sprach sich auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus. Die Entscheidung über Strauss-Kahns Nachfolge soll spätestens Ende Juni fallen, Kandidaturen sind bis 10. Juni möglich. Strauss-Kahn war wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe am Donnerstag als IWF-Chef zurückgetreten.
Allerdings melden auch Schwellenländer wie China und Indien ihren Anspruch an. Australiens Finanzminister Wayne Swan forderte, einen Nachfolger Strauss-Kahns nach seiner Leistung statt der Nationalität auszuwählen. Die automatische Ernennung eines Europäers sei überholt, sagte er mit Blick auf die wachsende ökonomische Bedeutung Asiens. Die USA als größter Anteilseigner haben sich in der Nachfolgediskussion bisher neutral geäußert. Die amerikanische Regierung unterstütze Kandidaten, die in einem offenen Auswahlprozess gefunden würden und eine Mehrheit hinter sich versammeln könnten, teilte das US-Finanzministerium mit.
Der IWF will jedenfalls Klarheit: Bis Ende Juni will der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Nachfolger für Ex-Direktor Strauss-Kahn gefunden haben. Die Organisation teilte mit, der Auswahlprozess solle bis zum 30. Juni abgeschlossen sein. Die Nominierungsphase für Bewerber um den Posten werde am 23. Mai beginnen und laufe bis zum 10. Juni.