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Strauss-Kahns Sex-Affären und die Komplott-Theorie

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Europaarchiv

US-Journalist glaubt an Verstrickung von Nicolas Sarkozys Partei.


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Paris. Unerträglich überheblich erschien Dominique Strauss-Kahn vielen Franzosen, als er sich im September im französischen Fernsehen selbst zu dem Sex-Skandal im New Yorker Sofitel-Hotel äußerte. Nachdem sich die Klägerin Nafissatou Diallo als unglaubwürdig erwiesen hatte, war der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) freigelassen worden und nach Paris zurückgekehrt. "Ob das ein Komplott war, wir werden ja sehen...", sagte Strauss-Kahn. Sollte er recht behalten?

Kursierten entsprechende Gerüchte vor allem kurz nach seiner Festnahme, so breitet nun der amerikanische Journalist Edward Epstein im US-Magazin "New York Review of Books" eine umfangreiche Verschwörungstheorie aus, die Verstrickungen zwischen dem Sofitel-Hotel, das zur französischen Accor-Gruppe gehört, und Sarkozys konservativer Regierungspartei UMP anführt. Vor den Vergewaltigungsvorwürfen, in deren Folge er auch seinen IWF-Posten aufgeben musste, war Strauss-Kahn Hoffnungsträger der Sozialisten für die Präsidentschaftswahl 2012. "DSK" galt als gefährlichster Gegner von Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.

Epstein zufolge hatte DSK am Morgen jenes verhängnisvollen 14. Mai die Warnung einer befreundeten UMP-Mitarbeiterin erhalten, die UMP-Zentrale in Paris habe mindestens eine seiner privaten Mails mitgelesen. Strauss-Kahn hatte es von jenem BlackBerry geschrieben, das er später auf dem Weg zum Flughafen vermisste. Das Handy ist bis heute verschwunden und seit jenem Tag um 12.51 Uhr abgestellt. Von wem und warum? Epstein hat keine Beweise für seinen Verdacht, Sarkozys Gefolgschaft sei verwickelt. "Nur dass er sein Telefon verlegt hat, sagt noch nichts über ein Komplott", erwidert Innenminister Claude Guéant.

Der US-Reporter zeigt anhand der Aufzeichnungen der elektronischen Zimmerschlüssel, dass das Zimmermädchen Diallo vor und nach ihrem nur sechsminütigen Aufenthalt in Strauss-Kahns Suite, bei dem es zu einer sexuellen Begegnung kam, in die Nachbar-Suite ging - was sie zunächst verschwieg. Wartete dort jemand auf sie? Dem Hotel zufolge hatte der Gast bereits ausgecheckt.

Dass die Polizei erst nach über einer Stunde gerufen wurde, erscheint Epstein ebenso fragwürdig wie das Verhalten einiger Verantwortlicher des Hotels. Nicht nur hatte einer von ihnen in einer Mail an einen Freund triumphiert, "wir haben DSK zu Fall gebracht" und das später als Witz abgetan. Auch schreibt Epstein von einem per Videokamera aufgezeichneten dreiminütigen "Siegestanz" zweier Hotel-Mitarbeiter kurz nach den Ereignissen. Das Hotel entgegnet, dieser habe nur acht Sekunden gedauert und nichts mit Strauss-Kahn zu tun. Epstein droht nun mit Veröffentlichung des Videos.

Angesichts weiterer Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen Strauss-Kahn und seiner Verwicklung in eine pikante Prostitutions-Affäre hätte es aber gar keines Komplotts bedurft, ihn zu stürzen - ein Bericht über seine Sex-Ausschweifungen hätte wohl genügt.