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Streit um Datenspeicherung prolongiert

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Europäischer Gerichtshof äußert Einwände gegen die Sammlung von Informationen durch Telekomfirmen.


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Brüssel/Luxemburg. Ein Anruf zu Hause, ein E-Mail an einen Arbeitskollegen: Wer mit wem wo und wann kommuniziert, ist monatelang nachvollziehbar. Denn diese Daten, ob per Telefon oder Internet weitergeleitet, haben die Telekommunikationsfirmen zu speichern. Sie müssen die Angaben mindestens für sechs Monate aufheben, unter Umständen können es sogar zwei Jahre werden. Die Ermittlungsbehörden in den EU-Staaten haben grundsätzlich Zugriff auf die Informationen, wobei manchmal schon das Ersuchen eines Staatsanwalts oder der Kriminalpolizei ausreicht.

Die Kritik an der Speicherung der Daten auf Vorrat ist seit dem Beschluss des entsprechenden EU-Gesetzes im Jahr 2006 nicht abgerissen. Manche Mitgliedstaaten - unter anderem Österreich und Deutschland - haben mit der Einführung auch jahrelang gezögert, was ihnen Rügen der EU-Kommission eingebracht hatte. Doch die Einwände der Skeptiker, könnten am heutigen Dienstag Bestätigung erhalten, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Vereinbarkeit der Datensammlung mit Unionsrecht entscheidet. An ihn gewandt hatte sich nicht nur das österreichische Verfassungsgericht, sondern auch das Hohe Gericht Irlands.

Eine Meinung liegt den Richtern in Luxemburg bereits vor - und in der Mehrheit der Fälle folgen diese solcher Argumentation. Denn schon im Dezember des Vorjahres hat der Generalanwalt des EuGH, Pedro Cruz Villalon, seine Bedenken geäußert. Die Regelungen seien nicht vereinbar mit den Vorgaben der Charta der EU-Grundrechte, wonach "jede Einschränkung der Ausübung eines Grundrechts gesetzlich vorgesehen sein muss". In dem Fall gehe es um die Achtung des Privatlebens der Unionsbürger, in das eingegriffen werde.

Immerhin könne die Auswertung der Daten ermöglichen, eine "ebenso zuverlässige wie erschöpfende Kartografie eines erheblichen Teils der Verhaltensweisen einer Person, die allein ihr Privatleben beträfen, oder gar ein komplettes und genaues Abbild der privaten Identität dieser Person zu erstellen". Die Sammlung der Informationen könnte nicht nur die Privatsphäre verletzen, sondern auch betrügerischen Zwecken dienen, befindet der Generalanwalt. Daher müsste die EU zunächst die Grundprinzipien festlegen, die eine Mindestgarantie auf eingeschränkten Zugang gewähren.

Cruz Villalon hält die Speicherdauer jedenfalls für zu lange. Er sehe keine Rechtfertigung dafür, dass die Frist mehr als ein Jahr betragen sollte. Dennoch lehnt er die Datenspeicherung auf Vorrat nicht generell ab.

In Österreich wurde die Meinung aus Luxemburg im Vorjahr begrüßt. SPÖ und Grüne zeigten sich über den Antrag des Generalanwalts erfreut; die Rechtsanwaltskammer äußerte sich ebenfalls positiv. Der "Gier nach den Daten der Bürger" müsse eine Grenze gesetzt werden, hieß es damals.

Nun erwartet etwa der EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer vom EuGH ein Signal, "dass Grundrechtsverletzungen nicht akzeptiert werden". Falls die Richter das Gesetz aufheben würden, sollte die Politik sofort reagieren, forderte der SPÖ-Mandatar. So könnte die EU-Kommission eine Korrektur vorlegen, um an einer Abschaffung der Datenspeicherung in Europa zu arbeiten.

Dass der EuGH allerdings eine Aufhebung fordert, ist weniger wahrscheinlich denn die Empfehlung zur Überarbeitung des Gesetzestextes. Daher drängen Politiker in Deutschland bereits auf eine baldige Fixierung der Vorgaben zur Datensammlung.

Die Koalition in Berlin hatte sich auf eine Neuregelung verständigt, wollte aber das EuGH-Urteil abwarten. Experten der CDU wenden sich dabei gegen allzu kurze Fristen für die Speicherung, weil das die Arbeit der Ermittlungsbehörden erschweren könnte. Die Grünen hingegen protestieren gegen die "Massenüberwachung ohne Anlass".