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Streit um die Außenpolitik im Weißen Haus

Von Daniel Enskat

Politik

Washington - Im Weißen Haus bilden sich derzeit zwei konkurrierende Lager um die Richtung der amerikanischen Außenpolitik. Einerseits das eine eher moderate Politik verfolgende Auswärtige Amt um Außenminister Colin Powell, andererseits ein ultra-konservatives Pentagon mit Verteidigungsminister Donald Rumsfeld an der Spitze.


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Beide Gruppen ringen um den Einfluss auf Präsident Bush, mit zum Teil konträren Ratschlägen bezüglich zentraler außenpolitischer Themen. Weiter kompliziert wird der sich anbahnende Machtkampf durch die bis dato unklaren Rollen der Beraterin für Nationale Sicherheit, Condoleeza Rice, und Vizepräsident Dick Cheney.

Am deutlichsten offenbar werden die politischen Differenzen und latenten Spannungen zwischen Außen- und Verteidigungsministerium derzeit in der Frage des Umgangs mit dem Irak. Das Team um Colin Powell plädiert für eine Lockerung der ökonomischen Sanktionen, bei gleichzeitiger Verschärfung der finanziellen und militärischen Sanktionen, um das Leid der irakischen Bevölkerung zu lindern. Anders der Ansatz des Verteidigungsministeriums: Hier befürwortet eine Gruppe von Hardlinern die militärische Unterstützung der irakischen Opposition, um Saddam Hussein zu entmachten. Bei Außenminister Powell nimmt man an, dass er politisch grundsätzlich mehr Gewicht auf die Zusammenarbeit mit Verbündeten legen wird, wohingegen Donald Rumsfeld schon seit seiner ersten kurzen Amtszeit als Verteidigungsminister unter der Regierung Ford für seinen eher unilateralen Ansatz bekannt ist.

Obwohl Colin Powell 35 Jahre Militärerfahrung vorzuweisen hat und Führer der Streitkräfte sowohl unter Bush Senior als auch Bill Clinton war, mithin ein Produkt des Verteidigungsministeriums ist, gilt er als eher vorsichtig und moderat - negativ ausgelegt hat man ihn als zögerlich beschrieben. Dementsprechend auch seine Personalauswahl. Sein Leiter für strategische und politische Planung, Richard Haass, vormals Direktor für Auswärtige Politik des Brookings Instituts und Mitarbeiter des Weißen Hauses unter Bushs Vater, ist ein Gegner jedweder militärischer Unterstützung der irakischen Oppositionsgruppen.

Nachdem das Außenministerium seine offizielle Linie verkündet hatte, erklärte Paul Wolfowitz, stellvertretender Verteidigungsminister und einer der stärksten Unterstützer der irakischen Opposition, gegenüber europäischen Diplomaten, dass man die Sanktionspolitik des Auswärtigen nicht als das letzte Wort und die offizielle Regierungshaltung widerspiegelnd betrachten solle.

Ein Regierungsmitglied äußerte sich dahingehend, dass sich Präsident Bush an irgendeinem Punkt für eine stringente außenpolitische Linie werde entscheiden müssen, da man ihm bei vielen zentralen Fragen keine übereinstimmenden Optionen liefern wird. Es ist nichts dagegen einzuwenden und sogar wünschenswert, eine interne Debatte mit konträren Ansichten zu führen - vor allem in der Anfangsphase des Regierens. Nur sieht es erstens danach aus, als würden die Debatten nicht hinter geschlossenen Türen ausgefochten werden.

Zweitens handelt es sich nicht um Meinungsunterschiede mit der Möglichkeit der Kompromissfindung, sondern um ideologische Differenzen. Und drittens ist Präsident Bush außenpolitisch unerfahren und auf den Rat und die Expertise seiner Berater angewiesen.

Dementsprechend intensiviert sich der Konkurrenzkampf um den Einfluss auf den Präsidenten - wobei bislang unklar ist, welche Rolle Bushs Beraterin für Nationale Sicherheit, Condoleeza Rice, spielt, und zu welcher Seite sie tendiert. Während Donald Rumsfeld sich mit Leuten wie Paul Wolfowitz oder Douglas Faith, einem Mitglied der Reaganregierung, eine ausgesprochen konservative Führungsmannschaft zusammengestellt hat, umgibt Colin Powell mit beispielsweise Richard Haass eine eher moderate Diplomatenriege. Kolumnisten und Politikwissenschaftler sehen eine mögliche Neuauflage des Machtkampfes der Reagan-Ära zwischen dem damaligen Außenminister George Shultz und dem Verteidigungsminister Caspar Weinberger im Bereich des Möglichen. Mitglieder der Regierung bestreiten jedoch ein solches Potenzial. Powell, Rumsfeld und Rice würden engen persönlichen Kontakt halten und es gäbe keinerlei Feindseligkeiten, heißt es beschwichtigend.

Eine wachsende Rolle spielt Vizepräsident Dick Cheney, der sich seine eigenen Spezialisten für Auswärtige Angelegenheiten zusammen sucht. Bei Cheney, Verteidigungsminister unter Bush Senior und langjähriger Protégé Donald Rumsfelds, geht man allgemein davon aus, dass er ideologisch eher dem konservativen Lager des Verteidigungsministeriums zugeneigt sein wird. Cheneys Berater für Nationale Sicherheit, Lewis Libby, sympathisiert beispielsweise offen mit der offiziellen Haltung des Verteidigungsministeriums in der Frage des Umgangs mit dem Irak.

Das außenpolitische Feld möglicher Spannungen ist potenziell groß, es reicht von der Sanktionspolitik gegenüber dem Irak, über die Vorgehensweise mit Russland im Bereich der Raketenabwehr, bis hin zur Frage der Unterstützung der friedenssichernden Maßnahmen Europas auf dem Balkan. Nordkorea, China und der Nahe Osten bieten weiteres Konfliktpotenzial. Bis dato widmet sich Präsident Bush voll und ganz nationalen Themen wie seinem Steuersenkungspaket, der anhaltenden US-Wirtschaftsschwäche und dem Gesetz zur Reformierung der Wahlkampffinanzierung, so dass die Außenpolitik eine Art Schattendasein führt. Doch eher früher als später wird Bush sich seiner außenpolitischen Verantwortung stellen und entscheiden müssen, welchem Lager er sein Ohr schenken will.